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Badewonnen im Tatenhausener Moor

Heilbad und Kurort: Das denkmalgeschützte »Badehaus« erinnert an die Blütezeit

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle-Tatenhausen (WB). Ob ein Moorbad gut war gegen das Reißen in den Knochen? Und wie wohltuend mag ein Glas Tatenhausener Quellwassers gewesen sein? Vor 200 Jahren war man von seiner segensreichen Wirkung bei verschiedenen Krankheiten überzeugt. Und Tatenhausen erlebte eine Blüte als Heilbad und Kurort. Die »Bokeler Geschichte(n)« erinnern daran.

Entweder waren es Bauern, die um 1795 auf die Wirkung des Wassers aufmerksam geworden waren. Oder Bergleute aus dem Haller Steinbruch Schneiker bohrten die schon 1720 entdeckte Quelle fast 80 Jahre später auf, wie in dem um 1830 erschienen Buch »Die Mineralquellen und das Mineralschlammbad zu Tatenhausen« nachzulesen sein soll. Jedenfalls soll es zwei Mineralquellen und mehrere Schlammquellen gegeben haben.
1819 begann Maximilian von Schmiesing die Anlage systematisch auszubauen. In einem hölzernen Badehaus wurden täglich 50 Bäder verabreicht. Als es abbrannte, ersetzte man es durch einen massiven, eingeschossigen Neubau mit sechs Badezimmern. Zugleich entstand durch Umbau und Erweiterung des Müllerwohnhauses ein Gast- und Gesellschaftshaus. Apropos Müller: Der arme Kerl, der den Badegästen aufwarten musste, lebte vier Monate in einer offenen Baustelle. Zudem musste er den Mahlbetrieb einstellen, wenn hohe Herrschaften den neuen offenen Brunnentempel besuchten: Die Teiche hätten sonst zu wenig Wasser gehabt, was wiederum die Aussicht weniger erfreulich gemacht hätte.
Der Badebetrieb blühte. Wenn auch die Badesaison nur Mitte Juni bis Ende August dauerte, so gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts immerhin 1200 Besucher in Tatenhausen, eine Zahl, die zehn Jahre später wieder auf ein Drittel Kur- und Badegäste schrumpfte. Zwischen 1870 und 1877 kam Tatenhausen noch einmal in Mode.
Man begab sich dorthin zu Schlamm- und Dampfbädern. Für den Moorbadebetrieb wurden fahrbare Badewannen genutzt. Zum Inventar gehörten 1890 unter anderem 17 Zinkwannen, 15 Schlammbadewannen, 15 Wasserrührer, 13 Stiefelknechte, ein Bottich, kupferne Wasserkessel und mehr.
Ein Ausbau folgte dem nächsten. Schon 1821, zeitgleich mit dem Bau des Badehauses, ließ der Graf ein Gasthaus mit Logierzimmern errichten. Gastwirt wurde der Müller, der natürlich mehrere Mägde beschäftigen musste. Ein Arzt, der während der Kurzeit regelmäßig nach Tatenhausen kam, ordnete die Bäder an. Vom Badehaus führte eine mit Ulmen und Lärchen bepflanzte Allee zum Trinkbrunnen, dessen Dach auf großen Säulen ruhte.
1831 konnte man Logis in insgesamt 45 Zimmern nehmen, darunter auch im Torhaus des Schlosses. Förster Schuhmacher nahm die Bestellungen entgegen.
An Unterhaltung fehlte es keineswegs. Man konnte im Park lustwandeln, Billard spielen, kegeln. Sonntags fand sich ein »gefälliges Musikchor« ein. Und im benachbarten Gesellschaftshaus wurde im Ballsaal getanzt - eine Sommerlust, die Ende des 19. Jahrhunderts einschlief.

Artikel vom 11.01.2006