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»Walz muss in
die Regierung«

Urban Priol blickt auf 2005 zurück

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Die Welt als »Flipper«-Automat: Kabarettist Urban Priol verfolgte jetzt in Paderborn den Lauf der Spielkugel durch das Jahr 2005 bis zum bitteren Ende - »Tilt!«

Die politischen Jahresrückblicke des geistreichen Satirikers haben schon so etwas wie gute Tradition. Und so platzte die seit Monaten ausverkaufte Paderhalle am Sonntag Abend aus allen Nähten, als sich Priol den Turbulenzen der vergangenen Monate von der Tsunami-Katastrophe über den weißen Rauch der Papstkür bis zum Bundestags-Wahldebakel aussetzte - mit sichtlich haarsträubenden Ergebnissen.
Dabei versteht der eloquente Kabarettist durchaus etwas von der Haarkunst. So nötigte ihm die Meisterschaft des Promi-Frisörs Udo Walz bei der Bubikopf-Veredlung der »Volkskanzlerin« Angela Merkel offenen Respekt ab: »Der Mann muss unbedingt in die Regierung - so jemand frisiert auch die Maastricht-Kriterien bis zur Unkenntlichkeit um.«
Besonders intensiv beschäftigte sich der Aschaffenburger mit Ratzinger und Stäuber - als waschechtem Franken ist ihm die bayerische Talentpflege natürlich ein Herzensanliegen. Doch auch der Neu-Berliner Horst Köhler durfte sich des Dauerspotts erfreuen. Für seine nächste Weihnachtsansprache empfahl ihm Priol den Text von Nicoles Versöhnungs-Schlager »Ein bisschen Frieden« - immerhin habe sie damit den letzten deutschen Grand-Prix-Sieg eingefahren.
Eigentlich schade, dass wir uns von Gerhard Schröder und Joschka Fischer auf der politischen Hauptbühne verabschieden müssen. Zumindest bei der Stimmen-Imitation von Priol kamen der Altkanzler und sein ehemaliger Stellvertreter am besten weg. Nachfolger »Münte« klappt schon ganz gut, bei Merkel freilich darf noch geübt werden.
Um die Jahresthemen komplett zu haben - hier fehlte kaum etwas zwischen Lkw-Maut und Vogelgrippe, Visa-Affäre und Kriegsende-Dauermemorial, Heuschrecken-Plage und Mooshammer-Meuchelei -, ist sich der »Brabbler« vom Main auch für die Lektüre der »Bild«-Zeitung und den Konsum von Nachmittags-Talkshows nicht zu schade. Jedes Detail wurde von Priol sorgfältig auf den Gipfelpunkt gebracht - mit oft aberwitzigen Ausblicken. »Bei der Trauerfeier für Johannes Paul II. sollen allein eine Million polnische Pilger gewesen sein. Da war ich schon wieder in Sorge: Wer sticht jetzt unseren Spargel?« Und Deutsche-Bank-Chef Ackermann werde bald schon eine persönliche Weiterbildungserfahrung machen, witzelt Priol angesichts angekündigter juristischer Nachprüfungen: »Der wird auch noch lernen, was ein geschlossener Immobilienfonds ist.«
Nach fast drei Stunden satirischer Wortakrobatik waren auch die zwei Weizenbiergläser geleert, die mit schrumpelnder Krone der Austrockung der Argumente entgegenwirken sollten - alkoholfrei, versteht sich. Für unersättliche Priol-Fans hält das Kulturbüro OWL übrigens noch eine Alternative bereit: am 11. Februar gastiert der Kabarettist mit seinem Programm »Täglich frisch« in Scherfede. Und da gibt's noch Karten.

Artikel vom 10.01.2006