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»Bis zuletzt ein Ritt auf der Rasierklinge«

Trainer Thomas Viehöfer zu den Aussichten des SV Höxter im Kampf um den Ligaverbleib

Höxter (üke). Sieben Punkte aus 15 Spielen. Acht Zähler Rückstand auf das rettende Ufer. Der SV Höxter ist Vorletzter der Landesliga. Doch zum Trübsal blasen sieht Thomas Viehöfer keinen Grund. »Natürlich ist das Unternehmen Klassenerhalt ein Ritt auf der Rasierklinge, aber wir können es noch schaffen«, sagt der junge Trainer. Wie ist die aktuelle Stimmung beim SV Höxter? Wie soll der Absturz in die Bezirksliga verhindert werden? Und wie sieht es im Innenleben des Übungsleiters aus? Thomas Viehöfer stellte sich den Fragen von WB-Redakteur Jürgen Drüke.
Der Blick zurück sei gestattet. Wie ordnen sie den bisherigen Saisonverlauf ein?Viehöfer: Wir konnten im Sommer auf eine gute Vorbereitung bauen und überzeugten auch in den Testspielen. Der Knackpunkt für den weiteren Verlauf der Hinserie ist aus meiner Sicht unser erstes Saisonspiel gegen Bockum/Hövel. Da hat die Mannschaft im ersten Durchgang eine ganz starke Leistung gezeigt. Wir hätten zur Halbzeit bereits haushoch führen müssen, doch wir lagen 0:1 zurück. Eine Partie, die wir 7:3 gewinnen mussten, wurde am Ende mit 2:3-Toren verloren. Und schon waren die negativen Gedanken aus der Vorsaison wieder in den Köpfen der Spieler. Überlegen geführte Partien gingen oft verloren, so dass der SV Höxter bis zum letzten Spieltag um den Ligaerhalt kämpfen musste. Als wir im September am zweiten Spieltag auch noch das Derby gegen die SpVg. Brakel unglücklich verloren haben, war es um den psychischen Zustand der Mannschaft alles andere als gut bestellt. Die Truppe hat bis auf die Partien gegen den VfB Borgholz, als sie unbedingt gewinnen musste, und RW Horn gute Leistungen gezeigt. Doch leider gingen wir fast immer als Verlierer vom Platz.
Dafür muss es doch Gründe geben, die ihnen bekannt sind.Viehöfer: Die gibte es. Spielerisch brauchen wir uns vor keiner Mannschaft der Landesliga zu verstecken. Es gibt auch noch einige schwächere Teams. Allerdings können wir uns dafür nichts kaufen. Tatsache ist, dass wir zwischen den beiden Strafräumen guten Fußball spielen. Vor dem gegnerischen Tor werden dann allerdings beste Chancen zu oft ausgelassen. Im eigenen Strafraum reichen dann für den Gegner zwei Unachtsamkeiten, die dieser gnadenlos ausnutzt. Unsere Kontrahenten arbeiten effektiver. Und zudem habe ich inzwischen erkannt, dass die Stürmer der Konkurrenz geiler auf Tore sind. Diese Geilheit fehlt uns, da wird zu oft noch einmal quer gespeilt, anstatt selbst auf den Kasten zu schießen. Die Akteure betreiben einen großen Aufwand und sind dafür bisher noch nicht belohnt worden. Zudem standen wir in den vergangeen Wochen im eigenen Verein, bei den Fans und auch in den heimischen Medien in der Kritik. Junge Akteure können das alles zusammen nicht so einfach wegstecken. Im Sport und im Fußball ist vieles eine Kopfsache, doch die Köpfe waren bei meinen Spielern in der Hinrunde zu oft nicht frei.
Aber wie sollen die Probleme bewältigt und gelöst werden? Und vor allem, wer soll die so bitter benötigten Tore im Abstiegskampf erzielen? Hat sich der SV Höxter in der Winterpause eigentlich nach Verstärkungen umgesehen?Viehöfer: Klar hätte ich einen Ralf Schönwald gern in unserer Mannschaft. Aber er kann sich halt nicht mehr für die Landesliga begeistern. Andererseits verfügt auch der SVH über Akteure, die treffen können. Warum sollte ein Cengiz Kücücker, der uns auch im vergangenem Jahr in der Rückrunde mit seinen Treffern geholfen hat, nicht wieder auftauen. Uli Kockmann ist immer für zählbare Erfolge gut. Zudem werden die lange verletzten Spieler Dennis Boca und Lukas Hetmaniok wieder dabei sein, beide sind im Offensivbereich ganz wichtige Spieler für uns. Und dann muss endlich die Geilheit in unseren Aktionen Einzug halten.
Wie beurteilen sie angesichts der acht Punkte Rückstand auf das rettende Ufer die Aussichten auf den Klassenerhalt?Viehöfer: Wenn diese Mannschaft einmal zwei oder sogar drei Spiele gewinnt, dann sind die negativen Gedanken verschwunden. Wir werden ab dem 24. Januar eine intensive Vorbereitung betreiben. Auch beim RWE-Masters in Brakel und dann auch hoffentlich zwei Wochen später in der Finalrunde in Warburg am 29. Januar wollen wir eine gute Rolle spielen. Dass acht Punkte Rückstand eine Menge Holz sind, das wisssen wir. So wird es nicht leicht. Es wird bis zuletzt ein Ritt auf der Rasierklinge. Wir haben noch 15 Spiele und da ist einiges möglich. Wir setzen dabei nicht auf ein kleines Wunder, sondern nur auf uns. Wenn wir am 19. Februar unser erstes Nachholspiel gegen den FC Stukenbrock in der Weserkampfbahn austragen, wird das Team auf die Sekunde topfit sein.
Immerhin gab es mit Youngster Jan Reimers von der SpVg. Brakel in der Winterpause einen Neuzugang. Wie wichtig ist der neue Spieler in den SVH-Überlegungen?Viehöfer: Ich freue mich, dass Jan Reimers trotz der sportlich angespannten Situation zu uns gekommen ist und sich gleich langfristig an den SVH gebunden hat. Auf den Außenbahnen wird er sicherlich eine gute Rolle spielen. Ich bin davon überzeugt, dass unser Verein immer noch eine gute Adresse für Spieler ist. Hier wird nämlich einiges geleistet. Vielleicht kommt noch Wolfgang Lütkemeyer, der zuletzt beim SV Neuenheerse/Herbram spielte, zu uns. Aber Lütkemeyer muss sich nun zwischen mehreren Angeboten entscheiden. Einen gestandenen Fußballer wie ihn könnte die Mannschaft sicherlich noch ganz gut gebrauchen.
Gibt es bereits einen Plan B für den Fall des Abstiegs?Viehöfer: Wir werden alles dafür geben, in der Landesliga zu spielen. Hier gehört die Mannschaft hin und hier will sie bleiben. An die Bezirksliga denkt bei uns niemand. Sollte der Abstieg doch eintreten, werden wir gezielt auf die Landesliga hinarbeiten. Die Mannschaft ist sehr ehrgeizig und wird sich mächtig reinhängen.
Haben Sie in der Hinserie schon einmal über einen Rücktritt nachgedacht?Viehöfer: Nein. Sicherlich war ich nach der Niederlage gegen Schlusslicht SV Borgholz/Natzungen sehr niedergeschlagen. Aber es ist gut, wenn man eine Familie hat, die einen auffängt.
Was eine echte Katastrophe ist, mussten sie leider im September auch erfahren?Viehöfer: Beim Unglück von Höxter haben wir unsere Wohnung verloren. Es hätte für mein Kind und meine Ehefrau schlimmer ausgehen können. Deshalb relativiert sich so manches im Sport, wenngleich ich immer gewinnen will. Daran kann auch ein großes Unglück nichts ändern. Anders hätte Fußball keinen Sinn.

Artikel vom 07.01.2006