07.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das Wort zum Sonntag

 Von Krankenhauspfarrer Michael Waterböhr, Rahden


Weiß Gott, vielleicht bin ich am falschen Ort. Da wollen sich manchmal die richtigen Ideen einfach nicht einstellen. Oder ich habe den falschen Zeitpunkt für meine Pläne gewählt. Kennen Sie das auch, liebe Leserinnen und Leser?
Vielleicht liegt es ja am Wetter. Es ist ungemütlich draußen. Zu kalt und zu nass. Wäre endlich das Frühjahr wieder da, wären die Tage bereits spürbar länger. Ja dann..., dann würde bestimmt der nächste Wetterbericht zumindest die Hoffnung auf wärmere und sonnige Zeiten verkünden. Und Ihre eigenen guten Gedanken und Vorsätze für das neue Jahr könnten Sie rückblickend schon überprüfen auf ihre Tragfähigkeit und Belastbarkeit.
Andererseits: Vielleicht ist es auch gut, dass gestern erst der 6. Januar war. Dieser Tag erinnert nämlich der christlichen Legende nach an jene drei Weisen, fremde Magier, die eines Tages, von dem Licht eines hellen Sterns geleitet, zu einer Reise aufbrachen, an deren vorläufigem Endpunkt sie ein Kind in einer Notbehausung finden sollten. Das war von ihnen natürlich nicht eingeplant worden: Dass Gott so heruntergekommen sein würde. Trotzdem: »Und sie beteten das Kind an«, erzählt die alte Geschichte aus dem Matthäusevangelium »und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe«. Als ich selber noch ein Kind war, habe ich nie kapiert, wieso man glauben konnte, die Heilige Familie sei arm gewesen, wenn doch die Sterndeuter aus dem Morgenland dem Neugeborenen Gold und Schätze mitgebracht hatten. Ich wollte mir auch nicht vorstellen müssen, dass Maria und Josef alles unter den armen Hirten verteilt haben, um mit leichterem Gepäck nach Ägypten ziehen zu können. Heute würde ich sagen: Jene Schätze hatten Symbolcharakter. Sie eigneten sich nicht zum Anhäufen oder Verteilen, sondern sie wiesen wohlmeinend in die Zukunft, so wie wir uns einander eben noch an der Schwelle vom alten ins neue Jahr Glück und Wohlergehen gewünscht haben.
Und so wurde dies auch dem Kind in Bethlehem, wörtlich: im »Haus des Brotes« für die Welt in die Wiege gelegt: Der Weihrauch, im alten Ägypten »das, was zu Gott macht«, ein wohlriechender Inhaltsstoff des Gummiharzes aus der Rinde des Weihrauchbaumes, etwas, das zum Himmel steigt, verbunden mit dem Wunsch, dass das Leben sich entfalten und zum Wohlgeruch werden möge.
Ähnlich auch die Myrrhe, ein entzündungshemmendes Heilmittel gegen Krankheit und Schmerzen, verbunden mit dem Wunsch dass das Leben des anderen bewahrt bleibe, trotz all unserer Erfahrungen von Leid und Sterben. Und schließlich das Gold als Hinweis auf etwas Einzigartiges und Kostbares, das den Menschen zum König macht, der wie die Sterndeuter gelernt hat, hinzuschauen, um über dem Haupt des anderen den Stern Gottes leuchten zu sehen.
Diese Gaben, die Flüchtigkeit des Weihrauchs und das Gewicht des Goldes, das Leichte und das Schwere, werden auch uns in die Wiege gelegt worden sein. Da bin ich mir ganz sicher. Dazwischen die Myrrhe. Sagen wir einfach: Sie bedeutet unseren irdischen Weg der Endlichkeit und der Sterblichkeit, immer verbunden mit der Hoffnung auf heilwerdendes, gelingendes Leben. Diesen Weg will ich um Gottes Willen nicht mürrisch gehen. Vielleicht aber »myrrhisch«: Ich möchte ihn vertrauensvoll gehen und bei Trost bleiben. Denn schließlich glaube ich, dass er auch 2006 zum Kind in der Krippe führen wird.

Artikel vom 07.01.2006