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Begegnungsstätte der Geschichte

Neujahrsempfang des Martinshaus-Vereins - 70 Besucher erleben Vergangenheit

Espelkamp (hüs). »Es ist an uns, zu beweisen, dass wir an unserer eigenen Geschichte lebhaft interessiert sind.« Diese Worte richtete Marko Clauder, Vorsitzender des Martinshaus-Vereins, an die zum Neujahrsempfang am Sonntag erschienenen Gäste und rief damit zu neuer Motivation auf.

»Das Martinshaus soll eine Begegnungsstätte erlebter Geschichte werden«, betonte die zweite Vorsitzende des Vereins, Christiane Seibel. Es solle etwas zum Hören, Sehen und Fühlen, aber auch zum Reagieren und nach Hause mitnehmen im Martinshaus geben, verriet Seibel die weiteren Pläne.
Den Anfang dieses Vorhabens bildete der Neujahrsempfang im Martinshaus, zu dem etwa 70 Besucher erschienen. Die Gäste konnten die Bilder des Rahdener Malers Friedrich Stork bewundern und hörten Einlagen des Saxophon-Quartetts des Söderblom-Gymnasiums. Den Höhepunkt des Empfangs jedoch bildeten die Erzählungen von zwei Zeitzeuginnen. Irmgard Steding und Waltraud Meyer berichteten von den Anfängen des Martinshauses sowie von den eigenen Erfahrungen in der Espelkamper Geschichte. Irmgard Steding, die 1947 nach Espelkamp kam, erinnerte sich, dass zum Ende der 40er Jahre immer mehr Heimkehrer nach Espelkamp zogen. »Es gab so viele Menschen, die alle etwas aufbauen wollten, so müsste es jetzt eigentlich auch sein«, erklärte die ältere Dame unter dem Applaus der Zuhörer. Lebhaft hatte sie auch noch die spartanischen Verhältnisse in Erinnerung: »Die Leute mussten selbst Bänke in die Martinskirche bringen, damit man überhaupt irgendwo sitzen konnte«.
An die armseligen Verhältnisse erinnerte sich auch Waltraud Meyer, die viele Jahre in der Bücherei des Martinshauses arbeitete. Besonders den Einweihungstag hat sie nicht vergessen. »Das war ein großer Tag im Oktober 1952 und es waren so viele Gäste da, dass man später nicht mehr wusste, wer Ehrengast und wer Espelkamper ist«, erzählte Waltraud Meyer.
Ein besonderes Erlebnis war für die ältere Dame damals, als sie gemeinsam mit Pfarrer Birger Forell im Martinshaus auf den schwedischen Chor »Uppsala« wartete, der in der Waldschule ein Konzert geben sollte. »Das war so ein toller Mensch und ich durfte nun mit dem reden und ihm Fragen stellen«, berichtete Meyer noch heute mit strahlendem Gesicht.
Positive Erinnerungen hat sie auch an die Badewannen, die viel größer waren als unsere heutigen. In denen hätte man sich gefühlt »wie ein Bleistift im Ozean«, erzählte die ältere Dame und sorgte mit ihrem Vergleich für einen kräftigen Lacher im Publikum. Ebenfalls nicht vergessen hat Waltraud Meyer, wie viele Institutionen im Martinshaus untergebracht waren. Die Bücherei, die Haushaltungsschule, die Nebenstelle der Amtsverwaltung, Wohnungen der Fürsorgerinnen, das Kirchenbüro und sogar die Kreissparkasse. »Da hab ich mein Konto direkt neben meiner Wohnung eröffnet«, lacht die Zeitzeugin.
Sehr positive Erinnerungen hat sie auch noch an den Arbeitskreis, der sich 14-tägig im Martinshaus versammelte. »Das war ein runder Tisch mit allen öffentlichen Personen aus Espelkamp. Die haben soviel für die Stadt getan, das kann man gar nicht lobend genug erwähnen«, erzählt die ältere Dame. Sie sei sehr dankbar dafür, dass die Einrichtungen eine so tolle Förderung erhalten hätten und hofft für das Martinshaus, dass die »Verantwortung weiter in christlichen Händen begründet bleibt«.
Ob das so sein wird, bleibt abzuwarten. Der Vorstand des Martinshaus-Vereins ist der Auffassung, dass die Entscheidung darüber gar nicht schwarz oder weiß sein müsse. »Es ist ja nicht so, dass nur Kirche, nur Stadt oder nur der Verein Eigentümer des Martinshaus sein müssen«, verweist Clauda auf ein Bündel von Finanzierungsmöglichkeiten. »Was aus dem Haus wird, ist in unsere Hand gegeben«, betont der erste Vorsitzende.

Artikel vom 09.01.2006