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Drei junge Zauberer
kamen ins Gefängnis

Historiker erwähnt Vlothoer Kirchenakten von 1661

Von Hartmut Horstmann
Vlotho (VZ). Hokuspokus ist wieder angesagt, seit Zauberlehrling Harry Potter die Bestsellerlisten anführt. Doch nicht immer galt Zauberei als etwas Gutes - wie ein Blick in die Vlothoer Stadtgeschichte zeigt.

In seiner »Geschichte der Stadt Vlotho« widmet Karl Grossmann dem Thema »Zauberer und Hexen« ein Kapitel. So geht es um drei Kinder, die im Jahre 1661 in Haft genommen wurden, weil sie Zauberei getrieben haben sollen.
Das Schicksal der Heranwachsenden führt vor Augen, welche Ängste die Menschen einst plagten. Im gleichen Zusammenhang nennt der Historiker auch die Hexenverfolgungen, denen noch im 17. Jahrhundert in der Region mehr als 200 unschuldige Menschen zum Opfer gefallen seien.
Nein - als Vorläufer des Jugendhelden Harry Potter haben sich die drei Kinder aus Vlotho sicher nicht gefühlt, von denen laut Grossmann eine Akte des Kirchenarchivs St. Stephan berichtet.
Was den Kindern genau vorgeworfen wurde, lässt sich den Schriftstücken nicht entnehmen, schreibt der Chronist. Nur soviel: »Die beiden Pfarrer Liborius Rosemeyer und Magister Konrad Smid hatten den Auftrag, die vom Teufel verführten Kinder durch ihren Unterrricht wieder auf den richtigen Weg zu bringen.«
Das Gericht wiederum verordnete Züchtigungen gegen die drei jungen Vlothoer, doch hatten offenbar auch diese Strafen keinen Zweck. Einem Bericht der Pfarrer von 1662 ist zu entnehmen, dass der älteste der Knaben weiter behauptete, der Teufel habe sich mehrmals mit ihnen unterhalten.
Ein Schreiben ging an den Kurfürsten, der wiederum einen Theologen zu Rate zog. Und dieser bekräftigte »an Hand von Beispielen aus der Kirchengeschichte die Möglichkeit, dass die Kinder aus ihrer Verzauberung gerettet werden könnten«. Dazu ließ der Kurfürst weiter wissen: »Die Vlothoer Pfarrer sollten mit Beten, Unterricht und Ermahungen fortfahren und überlegen, ob man die Kinder nicht bei Handwerkern unterbringen könne.«
Wie die Geschichte ausgeht, verraten die Akten laut Grossmann nicht. Sicher ist, dass es die Geistlichen auch weiterhin schwer hatten. Über ihre Besuche im Gefängnis heißt es: »Die Pfarrer mussten es sich sogar gefallen lassen, von den Kindern selbst als Teufel bezeichnet zu werden.«
Ein weiterer Chronist vermutet dennoch, dass man die Kinder nicht bestraft, sondern nach einiger Zeit aus dem Gefängnis entlassen habe. Sonst hätte man gegen kurfürstlichen Befehl gehandelt.
Auf ein ganz dunkles Kapitel verweist Grossmann im Folgenden. 50 Jahre vor dem Zaubereivorwurf gegen die Knaben sei es »in unserer engeren Heimat zu mindestens drei Hexenprozessen und zwei Hinrichtungen gekommen«, schreibt er. Die unglücklichen Frauen stammten aus Bauerschaften des Amtsbezirks. Und: »Die Prozesse wurden vor dem Gogericht in Vlotho geführt, wo auch die Hinrichtungen auf der damaligen Gerichtsstätte beim Galgenkamp stattfanden.«

Artikel vom 06.01.2006