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Es fehlten die großen Gefühle

»Phantom« im Stimmungskeller

Von Thorsten Böhner
Paderborn (WV). Wo sonst, wenn nicht im »Phantom der Oper«, sind enthusiastische Emotionen und Pathos erlaubt, ja gefordert? Weniger ist mehr, doch wenn sich wie am Donnerstag in der Paderhalle Regie und Darsteller auf Halbherzigkeiten reduzieren, gilt diese Faustregel nicht.

Paris um 1900: Der musikalisch hochtalentierte Erik, »Phantom« genannt, hat sich wegen seines entstellten Gesichtes in die Katakomben des Opernhauses zurückgezogen. Als die junge Christine am Theater vorstellig wird, verliebt sich Erik erst in ihre Stimme, dann in sie. Auch Christine fühlt sich trotz Eriks Makel zu ihm hingezogen. Damit beginnt ein Intrigenspiel unter dem Opernpersonal, auf dessen Höhepunkt Erik sich zu einem Mord hinreißen lässt. Damit wendet sich das Blatt endgültig gegen ihn, und auch seine Liebe zu Christine bleibt unerwidert.
Das fünfundzwanzigköpfige Ensemble verschenkte wertvollen Spielraum. Die Darsteller schufen keine greifbare Atmosphäre. Freude, Wut, Trauer, Angst, Enzsetzen, Liebe - die großen Gefühle blieben oft auf der Strecke. Vieles wirkte halbseiden, auch der Gesang, trotz sicherer Notenbeherrschung. Der weiblichen Hauptdarstellerin fehlte zudem das gewisse Etwas. Die Aura des zerbrechlichen und zwischen ihren Gefühlen umherirrenden Mädchens flackerte nur zeitweise auf. Zwischen ihr und dem Darsteller des Erik - auch wenn dieser neben dem Konzertmeister der beste Akteur war - entbrannte selbst beim Liebesduett »Der Engel der Musik« kein knisterndes, geschweige denn ein loderndes Feuer. Erst zum Ende hin tauten die Akteure auf, so dass bei der Jagd nach dem Phantom und dessen Bühnentod so etwas wie Spannung und Trauer entstand.
»Mit der Seele sollst du singen!«: Diese Botschaft hätte das Phantom nicht nur an Christine, sondern an das gesamte Ensemble richten können. Zwangsläufig orientierte sich das Publikum mit seinem eher verhaltenen Schlussapplaus an der Leistung der Darsteller. Für frenetischere Reaktionen hätte es neben einem spielfreudigerem Ensemble auch eines üppigeren Orchesters bedurft, das zwar solide spielte, aber für ein Stück dieser Größenordnung zu spärlich ausgestattet war.

Artikel vom 07.01.2006