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Brasilienanleihen
bald ohne Vorteil

Doppelbesteuerungsabkommen gekündigt

Von Martin Schrahe
In der Vergangenheit konnten Anleger auf Zinsen aus Anleihen aus einigen Ländern zwischen 10 und 20 Prozent der Zinserträge - die fiktive Quellensteuer - auf ihre eigene Steuerschuld anrechnen lassen, obwohl diese gar nicht anfällt. Das Finanzamt berücksichtigt in diesen Fällen bis zu 20 Prozent Steuern genauso wie bei tatsächlich einbehaltenen Quellensteuern auf Dividenden.

Diese Anrechnung gibt es für Staatsanleihen aus Entwicklungsländern, aber auch für festverzinsliche Papiere aus Portugal, China, der Türkei oder Griechenland. Diese Papiere notieren in aller Regel in Euro und werden auch an deutschen Börsen gehandelt. Besonders begehrt waren in der Vergangenheit Anleihen aus Brasilien, da es hier zu den ohnehin hohen Zinsen noch zusätzlich 20 Prozent Steuergutschrift gab.
Die Voraussetzungen für die Anrechnung der fiktiven Quellensteuer auf die deutsche Einkommensteuer sind im Einzelnen in dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen geregelt. Wichtig ist jedoch, dass nur insoweit, wie in Deutschland auch Einkommensteuer auf diese ausländischen Einkünfte erhoben wird, eine fiktive Quellensteueranrechnung möglich ist. Für Anleger, die beispielsweise aufgrund von Verlustvorträgen diese Zinseinkünfte steuerfrei vereinnahmen können, ergibt sich keine Steueranrechnung. Für diejenigen, die ihre Zinseinkünfte allerdings in vollem Umfang versteuern müssen, ergeben sich erhebliche Renditevorteile.
Dieser Renditezuschuss vom Finanzamt steht jetzt vor dem Ende. Dies gilt zumindest für die Anleihen aus Brasilien, denn Deutschland hat das Doppelbesteuerungsabkommen mit Brasilien am 7. April 2005 gekündigt. Ab dem kommenden Jahr wird diese Kündigung wirksam und dann die Anrechnung der fiktiven Quellensteuer in Höhe von 20 Prozent gemäß Artikel 24 Absatz 3 dieses Doppelbesteuerungsabkommens nicht mehr möglich sein.
Besitzer von Brasilienanleihen sollten sich überlegen, ob sie ihre Papiere auch ohne Steueranrechnung weiter halten wollen. Wem die Papiere ohne fiktive Steueranrechnung nicht mehr lukrativ erscheinen, sollte diese unmittelbar nach dem Zinstermin verkaufen. Die Steueranrechnung ist nicht für erhaltene Stückzinsen möglich, daher ist die Veräußerung unmittelbar nach dem Zinstermin ratsam. Der Erlös kann zunächst noch in Anleihen anderer Länder investiert werden, die weiterhin eine Anrechnung ermöglichen. Allerdings hat die Bundesregierung erklärt, dass sie im Rahmen der Neuverhandlung von Doppelbesteuerungsabkommen generell auf die Möglichkeit der fiktiven Steueranrechnung verzichten will.
Schließlich sollte man nicht vergessen, dass es sich bei den Anleihen überwiegend um Entwicklungs- oder Schwellenländer handelt mit entsprechendem Bonitätsrisiko, weshalb solche Anlagen nur als Depotbeimischung zu empfehlen sind.

Artikel vom 07.01.2006