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Fehler können Folgen haben

Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht - Möglichkeiten und Grenzen

Von Stefanie Hambruch
Steuerhinterziehung ist strafbar. Wer also über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder diese Tatsachen verschweigt und dadurch Steuern verkürzt, macht sich strafbar. Dem Hinterzieher droht daher neben der Nachzahlung der Steuer auch noch eine Bestrafung wegen der Tat. Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht kann die Bestrafung verhindern. Es gibt im ganzen Strafrecht nichts Vergleichbares.

Sinn dieser Selbstanzeigenregelung ist aber nicht etwa die Belohnung für geleistete Aufklärungsarbeit, sondern eine rein fiskalische Überlegung zur Vermehrung des Steueraufkommens. Es geht dem Gesetzgeber um die nachträgliche Erfüllung der steuerlichen Pflichten und um die Erschließung bisher verheimlichter Steuerquellen. Durch die zu erwartende Strafbefreiung wird dem Hinterzieher ein Anreiz gegeben, wieder in die Steuerehrlichkeit zurückzufinden.
Wer also Steuern hinterzogen oder verkürzt hat und sich anschließend selbst anzeigt, muss zwar die Steuern mit Verzinsung nachzahlen, entgeht jedoch einer Bestrafung. Da fragt sich natürlich der Hinterzieher, warum er erst Steuern hinterzieht, um sich später doch wieder selbst anzuzeigen zu. Finanziell hat er dann ja nichts gewonnen und deshalb hat er es schließlich doch getan. Derjenige, der jedoch eine Strafe zu befürchten hat, wird schon seine Gründe für eine Selbstanzeige finden. Bei leichteren Fällen der Hinterziehung wird es einfach nur teuer, in schwereren kann es sehr einsam werden. Nach der Steuerstrafsachenstatistik der Steuerverwaltungen der Länder hat sich in den Jahren 1983 bis 2001 die Summe der Urteile in Steuerstrafsachen zwar verringert, die Summe der Freiheitsstrafen jedoch vermehrt - ein Beleg dafür, dass immer härtere Strafen ausgeurteilt werden.
Um durch die Selbstanzeige eine Strafbefreiung zu erlangen, ist es aber notwendig, dass diese bestimmte Anforderungen erfüllt. Dazu gehört zum einen, dass frühere unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt, ergänzt oder unterlassene Angaben nachgeholt werden. Eine Form ist hierfür nicht vorgeschrieben. Die Angaben sollten aber so konkret sein, dass das Finanzamt in die Lage versetzt wird, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen.
Die Selbstanzeige sollte daher so sorgfältig wie möglich erstellt werden. Fehler bei der Erstattung sind nicht heilbar. Ein kurzes allgemeines Schreiben, dass weitere Informationen folgen werden, kann fatale Folgen haben, weil das Finanzamt nun auf den Plan gerufen ist und Ermittlungen selbst einleiten kann. Eine solche Ankündigung der Selbstanzeige hat keine rechtliche Wirkung. Sie hat nur »schlafende Hunde« geweckt und verbaut so möglicherweise eine wirksame Selbstanzeige.
Ist es dem Steuerpflichtigen aufgrund mangelnder Aufzeichnungen oder wegen Zeitnot nicht möglich, die genauen Zahlen anzugeben, so empfiehlt es sich, die Steuerbeträge eher zu hoch als zu niedrig zu schätzen. Die zu niedrig erklärte Selbstanzeige ist nämlich nur teilweise wirksam. Für den Rest ist eine Strafverfolgung noch möglich. Deshalb ist es ratsam, sich in diesem Fall von einem Steuerberater oder einem Rechtsanwalt mit steuerrechtlicher Ausrichtung beraten zu lassen, damit nicht aufgrund von Ungenauigkeiten der Weg in die Straffreiheit verhindert wird.
Grundsätzlich wird auch bei einer Selbstanzeige ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet, in welchem behördenintern die Wirksamkeit überprüft wird. Daher ist zu empfehlen, das Wort »Selbstanzeige« zu vermeiden. Vielmehr sollte es sich um eine »berichtigende Erklärung« handeln, um die Chance zu nutzen, dass das Veranlagungsfinanzamt die Korrektur selbst vornimmt, ohne die Sache an die Strafsachenstelle abzugeben.
Die Selbstanzeige führt dann aber nur zur Straffreiheit, wenn die verkürzten Steuern innerhalb einer bestimmten Frist auch nachentrichtet werden. Der Hinterzieher erwirbt sozusagen durch die Nacherklärung zunächst nur eine Anwartschaft auf Straffreiheit. Erst nach einer fristgerechten Nachzahlung (1 bis 6 Monate) tritt Straffreiheit ein. Der ganze Aufwand bleibt also ohne Erfolg, wenn eine fristgerechte Nachzahlung, etwa im Falle einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit, nicht erfolgt. Derjenige, der eine Selbstanzeige in Erwägung zieht, sollte sich also vorher Gedanken um seine Zahlungsfähigkeit machen.
Auch wenn all diese Voraussetzungen einer Selbstanzeige vorliegen, kann sie dennoch unwirksam sein, wenn sie zu einem Zeitpunkt erstattet wird, in dem sich die Entdeckungsrisiken für den Steuerpflichtigen konkretisiert haben. Dies ist der Fall bei dem Beginn einer Außen- oder Fahndungsprüfung, der Bekanntgabe der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens oder bei der Entdeckung der Tat. Der Sinn dieser Sperrwirkung liegt darin, dass der Täter nicht zunächst das Erscheinen des Prüfers oder Steuerfahnders, die Einleitung des Verfahrens oder sogar die Tatentdeckung abwarten soll, um sich dann in aller Ruhe zur Selbstanzeige zu entschließen. In einem solchen Fall besteht nämlich kein Anlass, sein Verhalten mit Straffreiheit »zu belohnen«.
Erscheint also vor Abgabe der Selbstanzeige ein Amtsträger zur Steuerprüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit, kann Straffreiheit nicht mehr eintreten. Erschienen ist ein Prüfer dann, wenn er zur steuerlichen Prüfung an den Prüfungsort kommt. Das ist wörtlich zu nehmen. Die Ankündigung einer Prüfung beziehungsweise die Prüfungsanordnung reichen noch nicht aus. Er muss bildlich gesehen »auf der Matte« stehen. Dies kann aber auch die Fußmatte des Steuerbüros sein, in welchem der Steuerpflichtige seine steuerlichen Angelegenheiten bearbeiten lässt. Erhält ein Steuerpflichtiger also eine Benachrichtigung über eine anstehende Steuerprüfung, ist es noch nicht zu spät, etwas zu unternehmen. Erscheint ein Prüfer bei einem von mehreren Tätern einer Steuerhinterziehung ist die strafbefreiende Wirkung zunächst nur für denjenigen ausgeschlossen, bei dem der Prüfer erscheint. Weiter ist die strafbefreiende Wirkung nur für die Steuerarten und Zeiträume ausgeschlossen, die bei der Prüfung konkret geprüft werden sollen. Es ist daher genau zu ermitteln, ob und inwieweit eine Selbstanzeige für andere nicht zu prüfende Zeiträume und Steuerarten noch möglich und darüber hinaus sinnvoll ist.
Auch die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- und Bußgeldverfahrens hindert die strafbefreiende Selbstanzeige. Hierbei ist allein auf die Bekanntgabe, nicht auf die Einleitung, abzustellen. Eine Bekanntgabe kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Handeln (z.B. Durchsuchung, Verhaftung, Beschlagnahme) erfolgen. Der Umfang und die Art der Straftat, wegen der ein Verfahren eingeleitet wird, müssen genau bezeichnet sein. Hieraus ergibt sich dann, um welche Steuerart und um welchen Veranlagungszeitraum es sich handelt. So hindert nämlich die Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens wegen hinterzogener Körperschaftsteuer nicht die Selbstanzeige wegen einer Erbschaftsteuerhinterziehung.
Schließlich ist die Selbstanzeige auch unwirksam, wenn die Tat bereits ganz oder teilweise schon entdeckt ist und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste. In der Praxis wirft dieses Merkmal oft Probleme auf, weil die Buß- und Strafsachenstellen häufig dazu neigen, dieses weit auszudehnen. Sollte die Möglichkeit der Entdeckung also in der näheren Zukunft liegen, ist schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich.
Beachtet werden sollte, dass es bei Abgabe einer Selbstanzeige vorkommen kann, dass andere Straftatbestände wie zum Beispiel Urkundenfälschung, Subventionsbetrug, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ebenfalls berührt sein können. Für diese Tatbestände entfaltet die Selbstanzeige allerdings keine strafbefreiende Wirkung. Unter diesem Aspekt sollte sich derjenige, der eine Selbstanzeige in Erwägung zieht und bei dem andere Straftaten ebenfalls in Betracht kommen können, unbedingt juristisch beraten lassen.
Auch berufsrechtliche Folgen werden durch die Selbstanzeige nicht ausgeschlossen. Zum Beispiel ist bei Beamten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens noch statthaft. Auch gewerberechtliche Aufsichtsmaßnahmen sind weiter zulässig, so dass bei einer Hinterziehung, die über das geringe Maß (etwa 2 500 Euro) hinausgeht, noch eine Untersagung wegen gewerberechtlicher Unzulässigkeit erfolgen kann.
Hinterzogene Steuern sind trotz Selbstanzeige mit 0,5 Prozent für jeden vollen Monat der Verkürzung zu verzinsen. Die Hinterziehungszinsen werden zwar als Bestrafung empfunden, sind aber »nur« ein Ausgleich für den Stundungsvorteil, den der Steuerpflichtige hatte.
Eine Selbstanzeige ist auch bei leichtfertiger, das heißt ohne Vorsatz begangener, Steuerverkürzung möglich. Bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Hierbei sind die Anforderungen einer Selbstanzeige nicht so streng wie bei der Steuerhinterziehung.
Abschließend: Steuerhinterziehung ist im Gegensatz zur landläufigen Meinung kein Kavaliersdelikt. Durch das Institut der Selbstanzeige gewährt der Gesetzgeber dem Täter jedoch den Weg in die Straffreiheit. Da hierbei viel falsch gemacht werden kann, sollte vor Abgabe nach Möglichkeit ein steuerlicher oder juristischer Berater hinzugezogen werden.

Artikel vom 07.01.2006