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Hits und Flops
in der Bücherei

Harry-Potter-Reihe gibt den Ton an

Von Claus Brand (Text und Fotos)
Löhne (LZ). Der Löhner Stadtbücherei geht es wie dem heimischen Buchhandel: Im Regal stehen zwar keine Verkaufs-, dafür aber Ausleih-Schlager wie auch Texte zwischen zwei Buchdeckeln, die wie mit Blei behaftet zu sein scheinen. Nur alle Jubeljahre werden sie vom Leser nachgefragt. Unumstrittene Nummer eins beim Lesepublikum sind hier wie dort die Harry-Potter-Bände.

»13 Ausleihen pro Jahr, für einen Potter-Band sind fast die Regel«, erklärt Leiterin Gertrud Robbes. »Mehr ist auch kaum möglich bei einer Ausleihzeit von vier Wochen.« Während der Buchhandel sorgsam darauf achten muss, nicht zu viele Ladenhüter einzukaufen, sieht das Konzept der Büchereileiterin hier allerdings anders aus: »Von Goethe und Autoren ähnlicher Bedeutung muss eine öffentliche Bücherei alle Werke vorweisen können, vom Klassiker wie ÝFaustÜ, der auch regelmäßig ausgeliehen wird, bis zum Gedichtband, der deutlich weniger nachgefragt ist.«
Damit es erst gar nicht dazu kommt, im Bestand zu viele Sachbücher und Romane zu haben, die niemanden begeistern, setzt die 47-Jährige wie viele ihrer Kollegen auf die Hilfe eines Einkaufsberaters. Der Bibliotheken-Informationsdienst in Reutlingen trifft aus jährlich rund 80 000 neuen Büchern eine Vorauswahl. Gertrud Robbes: »Und über die Jahre sammelt man natürlich Erfahrung, welchem Rezensenten des Dienstes man Glauben schenken darf und welchem eher nicht.«
Eine spezielle Statistik über kaum oder gar nicht ausgeliehene Bücher wird nicht geführt. Robbes: »Einzelne Sachbereiche sehen wir daraufhin immer wieder durch.« So sei im vergangenen Jahr beispielsweise der Bereich Geschichte unter die Lupe genommen worden. Die Leiterin: »Es hat wenig Sinn, ein Buch zur Deutschen Einheit aus dem Jahr 1992 im Regal zu lassen, wenn wir gleichzeitig einen Band haben, der nur wenige Jahre alt ist. Der Leser wird so gut wie immer zum neueren Werk greifen.« Ihr Wahlspruch: »Weniger ist mehr. Lieber nur einige aktuelle Bücher zu einem Thema vorrätig haben, als dass neuere Werke in der Masse älterer Titel verschwinden.«
Seit dem Herbst des vergangenen Jahres versucht die Bücherei dem Anstrum auf bestimmte Autoren und Titel mit dem Bestseller-Service besser gerecht zu werden. Bei den Top-Titeln kann man sich für eine auf 14 Tage beschränkte Ausleihzeit vormerken lassen. Gertrud Robbes: »Die Bücher auf der Spiegelliste haben wir auch in mehreren Exemplaren, so beispielsweise allein in der Hauptstelle vier Exemplare des jüngsten Potter-Bandes.«
Alles Fachwissen schützt auch sie nicht vor Überraschungen, sprich unerwarteten Publikumslieblingen beim Lesestoff: »Die meisten Ausleihen hat im vergangenen Jahr bei 4 000 potenziellen Kunden mit einem Leseausweise ÝDer siebte TagÜ von Ingrid Black, schon vor zwei Jahren erschienen, verzeichnet.« Sie selbst kenne das Buch noch nicht. »Das wird sich aber in Kürze ändern.«
Insgesamt hat die Löhner Stadtbücherei im vergangenen Jahr die Zahl von 70 000 Besuchern verzeichnet, darunter 40 000 in der Hauptstelle am Bahnhof.

Artikel vom 05.01.2006