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Rechtsradikaler
schlägt zu

Tischler (21) aus Steinheim verurteilt

Von Ingo Schmitz
Höxter/Steinheim (WB). Ein nächtliches Zusammentreffen zwischen alkoholisierten Jugendlichen und zwei Pensionseigentümern im Kurpark von Bad Meinberg hat gestern in Höxter sein gerichtliches Nachspiel gefunden. Ein 21-jähriger Steinheimer wurde zu neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte eine Person geschlagen, Nazi-Parolen gerufen und im Park Gegenstände beschädigt.

Klein, drahtig und mit kurzgeschorenen Haaren -Êso saß der bereits mehrfach Vorbestrafte im Saal des Amtsgerichts Höxter mit gesenktem Haupt auf der Anklagebank. Der Platz an seiner Seite blieb leer -Êder 21-Jährige war ohne Rechtsanwalt erschienen. Freimütig machte der gelernte Tischler, der seit September ohne Arbeit ist, Angaben zu dem Vorfall, der sich in der Nacht zum 21. August zugetragen hat. Dass er sich dabei an manche belastende Details nicht mehr erinnern konnte (oder auch wollte) schrieb er dem Alkohol zu.
»Ich hatte schon einiges bei meiner Freundin getrunken«, erläuterte der junge Mann. Anschließend habe er in der besagten Tatnacht ein Internetcafé in Bad Meinberg aufgesucht und dort mit einigen Bekannten weiter dem Alkohol zugesprochen. Nach mehreren weiteren Gläsern Weizenbier und einigen Schnäpsen zog der Angeklagte mit den fünf Jugendlichen in der Nacht durch den Kurpark. Dabei wurde laut gegrölt. Doch während sich seine Bekannten einigermaßen zurückhielten, machte der Tischler auf »wilden Mann«. Er sprang in die Stuhlreihen, die am Kurtheater standen, und rief Nazi-Parolen.
Zur gleichen Zeit betraten die beiden Bad Meinberger Pensionsinhaber -Êein 52-jähriger Mann und dessen 46-jährige Schwägerin -Êden Kurpark. Sie hörten den Lärm. Da sie ihn zunächst nicht orten konnten, gingen sie weiter. Schließlich kam es zur Begegnung der jungen Leute mit den beiden Passanten. Letztere fühlten sich durch das Verhalten der 18- bis 34-Jährigen bedroht. Im Vorbeigehen grüßte ein 25-Jähriger mit »Guten Abend«. Der 52-Jährige empfand den Ton als unfreundlich und wertete dies als Provokation. Aus diesem Grund ließ sich der 52-Jährige zu einer beleidigenden Äußerung hinreißen, die die Situation zum Eskalieren brachte.
Einer aus der Gruppe, ein 25-jähriger Dachdecker aus Bad Meinberg, schnappte sich den 52-Jährigen und wollte ihn zwingen, die beleidigenden Worte zu wiederholen. Er schlug auf den Mann ein, ließ aber schließlich von ihm ab.
Obwohl die Auseinandersetzung beendet war, ging dann der Angeklagte auf den 52-Jährigen los, schlug ihn mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht sowie mit dem Handballen gegen den Kopf und drückte ihn auf eine Bank. Dabei schrie er den Mann an: »Das passiert dir, weil du nicht deutsch aussiehst!« Außerdem bedrohte der Steinheimer die Frau. Als das Opfer das Wort »Anzeige« benutzte, zog der erste Angreifer den Angeklagten von dem Opfer weg.
Der 21-jährige Steinheimer grölte weiter Nazi-Parolen und beschädigte mehrere Blumenkästen. Mehr als 50 Begonien wurden in dieser Nacht im Kurpark zerstört. Die beiden Opfer alarmierten die Polizei, die die Jugendlichen im Kurpark antraf und dingfest machte.
Das 52-jährige Opfer schilderte gestern in den schillernsten Farben den Vorfall und gab zu, dass es besser gewesen wäre, die Provokationen zu ignorieren, statt darauf einzugehen. Das sah auch der Vorsitzende Richter Dr. Andreas Hohendorf so. Er verdeutlichte dem 52-Jährigen, dass er sich nicht richtig verhalten habe: »Wie kann man, wenn man vor einem Ölfass steht, auch noch Feuer hineinwerfen?«, fragte er das Opfer, das sich nach eigenen Angaben gegen die Schläge nicht gewehrt habe.
Mahnende Worte mussten sich auch die übrigen Jugendlichen anhören, die als Zeugen vor Gericht erschienen waren. Ihnen legte Oberstaatsanwalt Hans-Peter Dietzmann nahe, sich künftig von Leuten, die Nazi-Parolen rufen, fern zu halten. Auch dem Angeklagten rief Dietzmann ins Gewissen: »Woher kommt soviel Dummheit? Der Nationalsozialismus steht für millionenfachen Tod und zerstörte Städte.«
Die jugendlichen Zeugen hatten sich offenbar bei ihren Aussagen abgesprochen und ließen entscheidende Details aus. Das half dem Angeklagten trotzdem nicht weiter: Das Gericht verurteilte den Tischler zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten. Mit einbezogen wurde eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs -Êeine Strafe, die das Amtsgericht Detmold erst vor wenigen Monaten verhängt hatte. Die aktuelle Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte nahm das Urteil an und versprach, sein Alkoholproblem in Angriff zu nehmen.

Artikel vom 04.01.2006