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Silvester ist allerhöchste Fischzeit

Räucherfilets sind auf dem Weg, roten Heringssalat als Neujahrsklassiker abzulösen

Von Thomas Hochstätter
(Text und Fotos)
Bad Oeynhausen (WB). Nicht selten 14 Stunden: Seit Karsten Getrost mit seinem neuen Verkaufswagen auf Wochenmärkten unterwegs ist, sind seine Arbeitstage länger geworden. Doch im Dezember ist alles noch eine Spur extremer. Denn Dezember ist Fischmonat.

In den meisten Familien gibt es besonders zum Jahreswechsel irgendeine Tradition, die mit Fisch zu tun hat. Während jedoch Silvesterkarpfen immer seltener verlangt wird, ist Heringssalat weiter beliebt. »Wir stellen zwei Sorten roten und einen weißen her«, sagt Karsten Getrost und stellt eine Schale roten Salat auf die Theke. Lecker sieht er aus. »Das Wichtigste ist guter Bismarckhering, mild, nicht zu sauer«, erklärt der 38-jährige Oeynhausener. Bei den weiteren Zutaten gingen die Meinungen ja ohnehin auseinander.
Im klassischen roten Heringssalat sind im Fischhaus Getrost noch rote Beete, Zwiebeln, Gurken, Sahne, Süßstoff und Gewürze. Diese Mischung ist so beliebt, dass Karsten Getrost und seine vier bis sechs Mitarbeiter davon Ende Dezember 60 Kilogramm herstellen. Daneben gibt es eine leicht rote Version ohne Sahne und weißen Salat - ohne rote Beete. »Man könnte das noch ganz anders machen«, sagt Karsten Getrost und sieht eine Lage grüner Heringe an. Aber mit ausgefalleneren Zutaten werde die Zahl der Kunden, deren Geschmack man treffe, nicht unbedingt größer. Im Heringssalat seiner Mutter, zu Hause in Leer in Ostfriesland, waren zum Beispiel noch gekochte Kartoffeln, Rindfleisch und Walnüsse.
Aber auch wenn sich der Heringssalat in der Spitzengruppe hält, die Ansprüche der Kundschaft ändern sich. »Früher gab es in einem Fischladen nur Seelachs und Rotbarsch.« Er zeigt auf die Auslage: »Heute sind Seezunge und Seeteufel nichts Besonderes mehr.« Die Vielfalt von etwa hundert Artikeln brauche Platz in dem Geschäft an der Wilhelmstraße. Derzeit ist es besonders die Plattenzubereitung, die die Mannschaft beschäftigt. Es ist davon auszugehen, dass die Filets auf dem Silbertablett den Salaten über kurz oder lang den Rang ablaufen. Was wiederum besonders Karsten Getrost selbst rotieren lässt. Denn er setzt nicht nur beim Räuchern von Forelle, Lachs oder Butterfisch auf eigene Handarbeit. Als »Hobby«, wie er sagt, legt er Oliven und Tomaten für Antipasti-Platten ein: Fisch mit mediterranem Einschlag. »Das finden die Leute toll, davon verkaufen wir immer mehr«, erzählt der gelernte Fischwirt.
Saibling, Karpfen und Stör hat Karsten Getrost schon gezüchtet. Er hat im Lipperland, Luxemburg und Bremen gearbeitet, ist auch Industriekaufmann und bereut den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. »Das würde ich sofort wiedermachen.« Seine Frau Marion kommt aus Oeynhausen. Da sei es eine günstige Gelegenheit gewesen, vor gut zehn Jahren, als das eingeführte Geschäft zu übernehmen war. Die Kundschaft sei bereit, für gute Qualität einen anständigen Preis zu bezahlen. Supermarkt-Fischtheken seien keine Konkurrenz. Besonders zu Silvester kommen die Leute nämlich auch von weit her zu Karsten Getrost. Weswegen er jetzt dringend weiterarbeiten muss.

Artikel vom 31.12.2005