02.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Marlon ist wunschlos glücklich

WESTFALEN-BLATT fragt in der »Laubhütte« nach Erwartungen für 2006

Von Monika Schönfeld
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Gesundheit, Glück, Frieden auf der Welt und vielleicht auch noch ein bisschen Wohlstand - das sind meist die Wünsche der Erwachsenen für das Neue Jahr. Kinder können mit diesen abstrakten Begriffen nichts anfangen. In der evangelischen Teiltagesstätte Laubhütte in Stukenbrock lernen Erwachsene von Kindern (manchmal), dass das Leben auch ohne die Erfüllung großer Wünsche lebenswert ist.

Katharina (6) kommt dieses Jahr in die Schule, hat sie auch schon besucht. Sie freut sich darauf. Was sie dort erwartet, weiß sie nicht. Ihre Wünsche für 2006: Viel Schnee und im Sommer möchte sie ins Plantschbecken.
»Wir treffen uns dann in der Schule«, sagt Luca (6) zu Katharina. Denn der junge Mann weiß, was er will. »Ich möchte Schmied werden und Hufeisen machen.«
Laura (7) ist Hortkind und geht bereits in die Schule. Lesen ist ihr Lieblingsfach. Sie wünscht sich fürs Neue Jahr eine Gummi-Maschine. Die hat sie sich schon zu Weihnachten gewünscht, aber nicht bekommen. »Die gibt es in Super-RTL«, weiß sie. Mit den zwei Flaschen könne man Gummibänder machen. Marlon (3) ist wunschlos glücklich. Einen neuen Lkw hat er zu Weihnachten bekommen - was will man mehr?
Daniel Dominguez Madeira hospitiert im Kindergarten und wird im Frühjahr ein Praktikum dort machen. »Ich wünsche mir, dass ich das zweite Ausbildungsjahr schaffe«, sagt der angehende Erzieher, der die dreijährige Sophie auf dem Schoß hat und mit ihr ein Bilderbuch anschaut. Sophie genießt das und hat keine weiteren Wünsche.
Erzieherin Katrin Grunwald hat ihren Sohn Jannis dabei. Der ist schon sechs Jahre alt und geht in die Schule. Rechnen macht ihm am meisten Spaß. Sein Wunsch für 2006: Ein Drucker für seinen Computer.
Kilian (3) hat an Heiligabend einen kleinen Bruder, Elias, bekommen. Scheint ihm für das ganze Jahr 2006 erst mal zu reichen. Wünsche? Nein. Aber er will schwimmen gehen mit seinen Schwimmflügeln.
Das Größte für Jakob (4) ist, dass er an Silvester die Raketen sehen durfte. Wünsche auch bei ihm: Fehlanzeige. »Bei uns war der Weihnachtsmann schon da.« Höchstens noch mehr Schnee dürfte vom Himmel fallen. »Bei Oma haben wir einen Riesenhügel zum Schlitten fahren.«
Kinder leben anscheinend im Augenblick. Alle wollen mal ein Foto machen und es sich auf dem kleinen Monitor ansehen. Der Schreibblock ist auch faszinierend. »Ach, du bist Karla Kolumna«, erkennt Katharina plötzlich die Reporterin aus der Kindergeschichte Benjamin Blümchen. Dann darf sie gehen, um in der Redaktion zu arbeiten. Aber lieber hätten die Kinder gehabt, wenn sie da geblieben wäre und sich noch mehr Geschichten aus dem Kasperletheater angeschaut hätte, die die Kinder für sie improvisiert haben.


Pilotprojekt
Erstmals hat die evangelische Teiltagesstätte Laubhütte an der Lindenstraße zwischen Weihnachten und Silvester vier Tage lang geöffnet gehabt. »Das ist gut angekommen. Viele Mütter haben sich bei mir bedankt«, sagt Kindergartenleiterin Erika Hieronymus. Viele Eltern hätten - vor allem, wenn sie im Einzelhandel arbeiten - keinen Urlaub bekommen. »Die Kinder haben hier die Möglichkeit, in bekannter Umgebung zu spielen. Das ist besser, als wenn die Eltern nach Notlösungen suchen müssen. Der Kindergarten hat einen sozialen Auftrag.« Einige Kinder seien alle vier Tage, manche nur einen Tag gekommen, um zu spielen. Wenn es möglich sei, tue den Kindern natürlich die Zeit mit den Eltern gut. Aber wer keinen Urlaub bekommt, hat auch dieses Jahr gute Chancen, seine Kinder zwischen Weihnachten und Neujahr gut versorgt zu wissen: Wenn die Nachfrage wieder so groß ist, werde der Kindergarten wieder öffnen.

Artikel vom 02.01.2006