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Glocken als Kanonenfutter

Zwei Weltkriege forderten 150 000 Glocken


Auf Glockenbronze hatten es die Militärs schon in früheren Zeiten abgesehen. Napoleon ließ etwa 100 000 Glocken in Kanonen umgießen, die größte Glocke von Notre Dame in Paris wurde sogar mit einer speziellen Glockenzerstörungsmaschine vernichtet.
Kurt Kramer, Glockensachverständiger des Erzbistums Freiburg und Vorsitzender des Beratungsausschusses für das Deutsche Glockenwesen (Karlsruhe), hat nach eingehenden Recherchen festgestellt, dass in den beiden Weltkriegen etwa 150 000 (!) Glocken der Kriegsmaschinerie geopfert werden mussten. Die Nazis wollten die Glocken in Deutschland am liebsten ganz zum Schweigen bringen; nach dem »Endsieg« sollten maximal zwölf Glocken übrig bleiben, die über dem Berliner Reichstag hätten läuten dürfen.
Im Zweiten Weltkrieg waren etwa 45 000 Glocken in Deutschland eingeschmolzen worden, hinzu kamen etwa 35 000 Glocken aus den besetzten Gebieten. Es gab zwar eine Klassifizierung der Glocken nach ihrer historischen Bedeutung - einen wirksamen Schutz für wertvolle alte Glocken bedeutete das allerdings nicht. Allein auf dem »Glockenfriedhof« in Hamburg-Vdeel warteten bei Kriegsende noch weit mehr als 10 000 Glocken auf den Schmelzofen.

Artikel vom 02.01.2006