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Von Orpheus und dem Hasen, der einen bunten Schmetterling liebte

Huxaria-Verlag: »Die Leier des Apoll« von Ingeborg Deschmann-Wiese

Von Wolfgang Braun
Kreis Paderborn/Höxter(WV). Mit »Die Leier des Apoll« legt Ingeborg Deschmann-Wiese einen Lyrik- und Erzählungsband vor, der durch seine Sprachkunst fasziniert. Er ist jetzt im Höxteraner Huxaria-Verlag erschienen.

Wie der Titel vermuten lässt, ist die griechische Mythologie ein wichtiger Bezugspunkt der Texte: Vor allem der Sänger Orpheus, der Apolls Leier spielt, ist vielfach präsent. Dessen Schicksal wandelt die Autorin so ab, dass er doch noch eine Vereinigung auf einer höheren Ebene mit seiner verstorbenen Eurydike erleben darf. Liebe, aber auch Verlust, Sterben, Abschied - Situationen, die Orpheus, aber mit ihm auch jeder Mensch erlebt, erleidet oder an denen er zu zerbrechen droht - sind in den Erzählungen und Gedichten die Hauptmotive. »Für mich ist Orpheus ein Urbild«, schreibt sie. Dabei gelingt es der Autorin, eine ganz eigene, sehr zarte, sehr klangvolle Sprache zu finden, die künstlerisch ist, ohne jedoch künstlich zu wirken.
Man kann sich dem eigenwilligen Zauber ihrer Text nur schwer entziehen: Beispielsweise der Erzählung von dem Hasen, der sich in einen Schmetterling verliebt. Aber nach einer Zeit der »gegenseitigen Zu- und Abneigung« gingen sie eigene Wege. Denn den Hasen ärgerte es, wenn der Falter sich verpuppte und träumte: »Er wusste nicht, was Schmetterlinge träumen.« Doch nach vielen Abenteuern mit Häsinnen holt ihn die Liebe zu »seinem« Schmetterling wieder ein. Aber als er endlich zu Hause anlangt, war der Schmetterling gerade gestorben...
Nicht nur auf einer symbolischen Ebene sind Tiere für die Autorin wichtig. Die Liebe zur Kreatur spricht aus vielen ihrer Texte. Es ist eine fast kindliche Unmittelbarkeit des Gefühls, die zur Sprache kommt, wenn etwa ein Mädchen den Tod eines Schmetterlings beklagt und feststellt, er habe sich nicht »vollenden können«: Wie viel Ehrfurcht vor dem Leben spricht aus solchen Worten. Erschütternd die Erzählung »Bagatelle«: Eine alte Frau will nicht mehr weiterleben, weil man ihren Hund »einschläfert«. Struktur gewinnt das Büchlein durch das Grundthema und dadurch, dass die Texte zu Einheiten wie »`s Orpheus, wenn es singt«, »Ach, Lieb' und Treu' ist wie ein Traum«, »Sing leise, kleiner Vogel« gruppiert sind.
Die Autorin hatte in Köln und Paderborn Philosophie, Anglistik und Pädagogik studiert. Sie arbeitete über Nietzsche und den modernen englischen Roman.
Ingeborg Deschmann-Wiese: Die Leier des Apolls, 79 Seiten. Huxaria Höxter 2005. 9,80 Euro. (ISBN 3-934802-23-0)

Artikel vom 30.12.2005