30.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Beistand ist
sehr wichtig

Weißer Ring zieht Jahresbilanz

Von Ingo Schmitz
Höxter (WB). Vergewaltigung, Missbrauch, häusliche Gewalt, versuchter Todschlag, schwerer Diebstahl oder Erpressung: Die Fälle, mit denen es Franz Kremer zu tun hat, sind schockierend. Der ehrenamtliche Mitarbeiter des Weißen Rings setzt sich für die Opfer von Straftaten ein. 35 Fälle wurden in diesem Jahr im Kreis Höxter vom Weißen Ring bearbeitet.

Der wohl schwerwiegendste Fall ist ganz aktuell: Franz Kremer versucht der Familie aus Marienmünster zu helfen, deren Vater kurz vor Weihnachten wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs an seinen Kindern festgenommen worden ist (das WESTFALEN-BLATT berichtete am Mittwoch exklusiv). Details zu den erschütternden Vorkommnissen gibt Franz Kremer mit Rücksicht auf die Ehefrau des Verdächtigen und der Kinder jedoch nicht bekannt.
Der 61-jährige Rentner hat im März die Leitung der Außenstelle Höxter der Opferhilfsorganisation übernommen -Êeine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut hat. Man merkt: Es liegt ihm im Blut, anderen Menschen zu helfen. Zusammen mit Hermann Düker (Höxter), Bärbel Fromme (Brakel), sowie Ingrid Prange und Gisela Hass (beide Warburg) betreut der Textilingenieur die Menschen, die im Kreis Höxter einem Verbrechen zum Opfer fallen. Allerdings wenden sich nicht alle Betroffenen an den Weißen Ring -Êmöglicherweise aus Scheu oder auch Scham.
»In 29 unserer insgesamt 35 Fälle ging es um Frauen«, zieht der Höxteraner eine erschreckende Bilanz. Neunmal war sexuelle, siebenmal häusliche Gewalt der Grund für einen Einsatz der Organisation. Bislang wurden 4500 Euro an bedürftige Opfer ausgezahlt. »Es handelt sich dabei um Überbrückungsgeld aus Spenden, das nicht zurückgezahlt werden muss«, erläutert der Mitarbeiter des Weißen Rings, der sich auch um Opfer der schlimmen Gasexplosion in Höxter gekümmert hat.
Der Höxteraner hat in 2005 zwölf Fälle bearbeitet. Bei seinen Gesprächen mit den Opfern erfährt er oft von erschreckenden Vorkommnissen. So hatte sich eine Höxteranerin an die Polizei gewandt, weil sie von ihrem Mann geschlagen wurde. »Fünf Jahre hat sie das Martyrium über sich ergehen lassen, dann reichte sie die Scheidung ein. Anschließend heiratete sie einen Mann, von dem sie noch brutaler geschlagen wurde. Doch es dauerte mehrere Jahre, bis sie die Polizei einschaltete. Inzwischen ist der Mann verurteilt worden«, berichtet Kremer, der die Opfer auf Wunsch nicht nur bei Behördengängen, sondern auch zu Gerichtsverhandlungen begleitet.
Seine Arbeit beim Weißen Ring hat den 61-Jährigen zu der Erkenntnis gebracht, dass die Bürger im Kreis Höxter nicht auf einer Insel der Glückseligen leben. »Mitten unter uns geschehen schlimme Straftaten«, betont der Höxteraner. Dies zeigt ein Fall, der sich im Warburger Bereich zugetragen hat. Eine Frau wurde hier in 2005 von einem Fremden gefesselt und mehr als fünf Stunden brutal misshandelt und vergewaltigt. Das Opfer habe sogar um sein Leben bangen müssen. Zum Glück kam es jedoch nicht so weit und der Täter wurde gefasst.
Der 61-Jährige betont: »Gerade in solchen Fällen ist der menschliche Beistand für ein Opfer sehr wichtig. Wenn man dem Opfer gegenüber sitzt und das Leid hört, tut es einem weh. Man muss sich daher stets vor Augen führen, dass es eine ehrenamtliche Arbeit ist und morgen schon der nächste Fall kommen kann.«
Bei seiner wichtigen Aufgabe ist der Weiße Ring auf die Unterstützung möglichst vieler Menschen angewiesen, denen das Schicksal anderer nicht egal ist. Jeder Einzelne kann einen kleinen Teil dazu beitragen, damit ein großes Stück Mitmenschlichkeit dort ankommt, wo es dringend gebraucht wird: Bei den Opfern von Kriminalität und Gewalt und ihren Familien. Für 2,50 Euro monatlichen Mindestbeitrag kann jeder Bürger einen Beitrag leisten, das Leid und die Not der Betroffenen zu lindern.

Artikel vom 30.12.2005