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»Liga-Lautsprecher«
küsst den Riesen wach

Doch runderneuerter FCG läuft Musik noch hinterher

Gütersloh (dh). Ein turbulentes Jahr liegt hinter dem FC Gütersloh 2000, das »gefühlt« keine 12 Monate lang dauerte. Denn zumindest außerhalb des Spielfeldes gab der FußballOberligist erst in der zweiten Jahreshälfte so richtig Gas, als Norbert Wöstmann mit zahlreichen Aktionen den schlafenden Riesen wach küsste und als »Liga-Lautsprecher« das Gütersloher Publikum wieder hinter dem Ofen hervorholte. Getreu seinem markigen Spruch auf der Jahreshauptversammlung am 12. April: »Sonntags ist der Stadtpark voll und der Heidewald leer - ein Scheißzustand.«

Doch was war eigentlich in der Rückserie der Saison 04/05 im Heidewald los? Der Neuanfang unter Michael Prüfer und Wöstmann überlagerte das Jahr dermaßen, dass die Erinnerung von Januar bis Juni 2005 beinahe schon verblasst ist. Fritz Grösche führte den Klub nach dem Weihnachts-Rausschmiss 2004 von Rob Reekers ins Oberliga-Ziel - und das gar nicht einmal so schlecht. 26 Punkte holte der »Eiserne Fritz« und sicherte dem im Winter noch vor Abstiegsangst zitternden FCG vorzeitig den Klassenerhalt.
Eingestilt wurde der Umbruch und Aufbruch zu neuen Ufern bereits auf besagter Mitgliederversammlung am 12. April. Präsident Frank M. Welsch legte nach fünf mehr oder weniger erfolgreichen Jahren sein Amt nieder und mit Michael Prüfer wurde ein Nachfolger gefunden. Norbert Wöstmann blieb als »Vize« zunächst im Hintergrund, doch schnell wurde klar, dass der »Unternehmer des Jahres 2004« der eigentliche neue »starke Mann« an der Dalke ist. Nur logisch, dass Wöstmann nach dem schnellen Rücktritt Prüfers nach nur 144 Tagen Amtszeit (»Die Schlagzahl im Verein wurde deutlich erhöht - da kann ich aus zeitlichen Gründen nicht mehr mithalten«) auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 28. November als 1. Vorsitzender gewählt wurde. Ihm steht nun mit Martin Schlautmann ein enger Vertrauter zur Seite.
Auch die Trainerfrage für die Spielzeit 05/06 konnte schnell beantwortet werden. Bereits am 24. Februar stellte der FCG mit Dr. Jörg Weber einen Mann vor, der in der Nachbarschaft mit dem VfB Fichte wahre Wunder vollbrachte und die Bielefelder aus einer schweren Krise heraus zum Ligaerhalt führte. Frühzeitig konnte sich Weber seinen Wunschkader zusammenstellen. »Der Doktor hat einen Zettel abgegeben, auf dem hinter jeder Position drei Namen standen. Er hat immer die Nummer eins bekommen«, setzte Wöstmann den 40-Jährigen schon vor seinem Amtsantritt mächtig unter Druck. Dass es diesen Zettel in genannter Form gar nicht gab, erwähnte Weber erst gegen Ende des Jahres beinahe beiläufig.
Nachdem einige Heidewald-Ikonen, an der Spitze der unverwüstliche Dirk Konerding, am 5. Juni verabschiedet worden waren, begann der große Umbruch. Marco Antwerpen, Marcus Fischer, Alexander Kuschmann und die BVB-Connection um Deniz Sahin, Kurtulus Öztürk sowie Sören Siek sollten den FCG regionalligatauglich verstärken. Nach verheißungsvollem Start mit sieben Punkten aus drei Spielen zeigte Mitfavorit Borussia Dortmund II dem FCG die Grenzen auf. Dem Schermbeck-Schock (2:2) folgte der entscheidende Hinrunden-Hänger mit der üblen Heimniederlage gegen Fichte (1:2), unnötigen Punktverlusten in Ahlen (0:0) und Delbrück (2:2) sowie der schmerzhaften Derby-Niederlage gegen den an diesem Tag deutlich schwächeren SC Verl (1:2).
Die Dominanz des Poststraßenklubs und der Dortmunder Reserve war im weiteren Saisonverlauf derart erdrückend, dass im Meisterschaftsrennen bereits zum Jahresende 2005 kein Team mehr Schritt halten kann. Auch der FCG nicht, der sich nach seiner Herbst-Depression immerhin etwas fing und dem Tabellendritten aus Lotte nunmehr bis auf einen Zähler auf die Pelle gerückt ist.
Platz drei - mit diesem Rang wäre man an der Dalke zum Oberligaschluss am Pfingstmontag 2006 dann auch zufrieden. Aber fortan darf es im Zweijahresplan in Richtung Regionalliga dann durchaus noch etwas mehr sein. Ob die neue Führung dem alten Personal und den derzeit sportlich Verantwortlichen eine zweite Chance gibt, ist die große Frage in den kommenden zwölf Monaten, die sicherlich noch wesentlich turbulenter verlaufen dürften als die zurückliegenden zwölf.

Artikel vom 31.12.2005