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Deutschland auf vier Quadratmetern

Gesamtschulleiter Herbert Willms schafft Eisenbahnlandschaften der Marke Eigenbau

Von Claus Brand (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen (WB). Aus der Spur zu geraten, diese Gefahr sieht Herbert Willms, Leiter der Gesamtschule Bad Oeynhausen, für sich im Alltag nicht. Seit vielen Jahren hat der 58-Jährige für sich ein Rezept gefunden, neue Kraft zu tanken, um gegen Stress gewappnet zu sein: Der gebürtige Bielefelder, der in einem Mehrfamilienhaus in Herford aus zwei Eigentumswohnungen eine gemacht hat, ist seit mehr als 30 Jahren Häuslebauer. Seine Bauwerke, vorwiegend im Maßstab 1:160, geben Eisenbahnlandschaften ihr Gesicht.

Das größte Panorama vom Nordseestrand bis in die bayerischen Alpen bietet eine viereinhalb Quadratmeter große Platte, auf der zwischen dem Schienen- und Straßennetz Dutzende von Häusern stehen. Gefertigt sind sie alle aus einfacher Pappe, liebevoll bemalt und mit selbst aus Kunststoff gegossenen Fenstern versehen. Der Lehrer: »Zum Basteln nutze ich dabei auch schon mal die Einlegpappe aus der Verpackung eines neuen Hemdes. Für die kleinen Bauten ist die stabil genug.«
Während auf dieser Anlage der Norden der Republik mit Windmühle, Strand, Hünengrab, Sachsenhaus, Hermannsdenkmal und vielem mehr mit Liebe zum naturgetreuen Detail fertig gestaltet ist, gibt es südlich des Mains noch manche Baustelle. Herbert Willms: »Im Kopf schwebt mir schon alles vor.« Dass die räumlichen Verhältnisse zwischen Friesland und Oberbayern dabei nicht genau stimmen, stört den Bastler nicht. Bis 2011 will er fertig sein.
In diesem Plan zurückgeworfen hat ihn zwischenzeitlich eine neu entdeckte Vorliebe für den Modellbau in Sachen Zirkus. So ist in vier Jahren Bauzeit mit allen Details die blau-weiße Landschaft des Zirkus Bertini entstanden, dessen Name eine Eigenkreation ist. »Dieser Zirkus ist auf der Welt einmalig«, ergänzt der Lehrer für Englisch und Latein. Da gibt es sogar eine Miniatur-Würstchenbude, aus deren Schornstein Qualm aufsteigt und eine Lkw-Zugmaschine, die hupt, um einen Parksünder in Bewegung zu bringen. Die Schalter, um die Technik zu starten, sind unter einem Mehrfamilienhaus versteckt. Sie ermöglicht auch den Brand eines Hauses auf der großen Modell-Anlage, der vom Heulen einer Feuerwehrsirene angekündigt wird.
Eine weitere Eisenbahn-Welt hat Herbert Willms auf jeweils einem Viertelquadratmeter gleich vier Mal geschaffen. Die Landschaften sind unterschiedlich ausgestaltet, weisen aber den grundlegend identischen Bauplan auf. Das Besondere: Auf einer Platte ist Frühling, auf der nächsten Sommer, auf der dritten Herbst und die vierte ist tief verschneit. »Sie sind jeweils in der dazu passenden Jahreszeit entstanden«, erinnert sich der Schulleiter. Und: Abgesehen von den Schienen und den Gleisfahrzeugen ist bei ihm alles Marke Eigenbau. Ausnahmen bestätigen diese Regel: So findet vereinzelt auch ein gelungenes Fahrzeug aus einem Überraschungsei den Weg auf das Deutschland-Brett.
Im Modelleisenbahn-Club (MEC) Herford ist er so auch eher als Regisseur und Szenengestalter denn als Eisenbahn-Pionier bekannt. Willms: »Ich konnte mir lange Zeit auch vorstellen, Architekt zu werden.« Für die lebensnahe Gestaltung seiner Anlagen hat er inzwischen ein geschultes Auge. In einem kleinen roten Skizzen-Büchlein werden immer wieder Grobentwürfe vermerkt. »Wenn ich an der Küste einen Fischkutter sehe, der mit gefällt, wird er schnell aufgezeichnet, als Gedankenstütze.«
Die von ihm geschaffenen Zirkus-Modelle in Baugröße N haben einem Modellbau-Unternehmer aus Mainz so gut gefallen, dass der sie jetzt in einer Klein-Serie auf den Markt bringt. »Die Werbung dafür ist auch schon angelaufen«, freut sich der Gesamtschulleiter über diese Anerkennung von berufener Stelle.

Artikel vom 30.12.2005