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Schleiereulen fühlen sich wohl

Die Tonnenheider Mühle ist auch ein Refugium für seltene Vogelarten

Von Sandra Knefel
Tonnenheide (WB). An der Tonnehheider Mühle achtet man sehr auf Naturschutz, mehrfach ist dort schon etwas für Tiere und Pflanzen getan worden. Besonders freute sich Ortsheimatpfleger Wilhelm Möhring über einen Schleiereulen-Nistkasten, den Wilhelm Fahrmeier vor zwei Jahren zur Verfügung stellte.

Der Kasten befindet sich im Dach des im Jahr 2000 erbauten Fachwerkhauses neben der Hochzeitsmühle und kann von den Vögeln durch ein Einflugloch am Giebel beflogen werden. »Im ersten Jahr haben Turmfalken den Kasten bezogen, doch in diesem Jahr freuen wir uns über ein Schleiereulenpärchen, das dort nistet und fünf Junge aufgezogen hat«, berichtet Möhring.
Die Schleiereule ist 33 bis 38 Zentimeter groß und wiegt zwischen 300 und 350 Gramm. Charakteristisch ist ihre auffallende herzförmige Gesichtsmaske, die diese Tiere unverwechselbar macht. Das »Eulengesicht« ist keinesfalls starr, sondern kann, je nach Stimmung, Angst, Ärger oder auch Erstaunen ausdrücken.
Ab April legt das Schleiereulen-Weibchen in der Regel vier bis sieben Eier. Diese werden nicht auf einmal gelegt, sondern in Abständen von zwei bis drei Tagen. Gleich nach der Ablage des ersten Eis beginnt das Weibchen zu brüten. Das hat zur Folge, dass die Jungen nach einer Brutzeit von 32 bis 34 Tagen ebenfalls in Abständen schlüpfen. Zwischen dem jüngsten und dem ältesten Jungvogel können bis zu zwei Wochen Altersunterschied liegen. Der Nachwuchs wird im Alter von etwa 60 Tagen flügge und ist weitere zehn Wochen später selbständig.
Die Schleiereule jagt nur bei Dunkelheit. Als Jagdgebiet bevorzugt sie offenes Kulturland mit kurzer Vegetation, wie zum Beispiel Felder oder Viehweiden. Sie ernährt sich vorwiegend von Kleinnagern, vor allem der Feldmaus. Um ihren täglichen Nahrungsbedarf von 80 bis 100 Gramm zu decken, fängt eine Schleiereule pro Nacht vier bis fünf Mäuse. In freier Natur kann sie ein Alter von 22 Jahren erreichen.
Die Schleiereule ist ein so genannter »Kulturfolger«, der sich eng an menschliche Siedlungen angeschlossen hat. Die Vögel bewohnen alte Scheunen, Kirchtürme oder ältere Gebäude. Leider wird die Eule bei uns immer seltener. Sie steht heute auf der roten Liste der bedrohten Tierarten. Der Grund für den Rückgang des Bestandes ist in erster Linie die rapide Verringerung des Brutplatzangebots durch Umbau oder Modernisierung älterer Gebäude oder Kirchtürme. Außerdem werden mit dem Wegfall von Gräben und Feldrainen in der modernen Landwirtschaft auch die Beutetiere dezimiert, so dass eine erfolgreiche Aufzucht mehrerer Jungtiere durch fehlende Nahrung immer schwieriger wird. Es ist also wichtig, den Tieren störungsfreie, dunkle Brutplätze mit Einfluglöchern an geeigneten Orten zur Verfügung zu stellen. Landwirtschaftliche Gebäude und Kirchtürme sollten zur Schaffung von Brutplätzen geöffnet werden. Schleiereulenkästen wie jener in Tonnenheide haben sich als Nisthilfe bewährt. Dabei ist es wichtig, die nachtaktiven Vögel tagsüber an ihren Plätzen nicht zu stören, weiß auch Ortsheimatpfleger Wilhelm Möhring. Zudem sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass Grünlandschaften mit Wiesen, Weiden und Tümpeln als Jagdgründe für die Eulen erhalten bleiben. In Tonnenheide gibt es - auch dank des Engagements vieler Naturfreunde - einen relativ großen Schleiereulenbestand, erzählt Möhring.
Auch der Vogelfreund Herbert Estermann aus Tonnenheide hat bei sich zu Hause »Besuch« von einem Eulenpärchen. Herbert Estermanns Hobby ist der Bau von Nistkästen. Seit 30 Jahren fertigt er für verschiedene Vogelarten spezielle Nisthilfen an. Mehr als 14 Varianten hat er schon gebaut. Auf Größe, Innenmaß und Durchmesser des Einfluglochs muss geachtet werden, wenn man bestimmten Vogelarten einen attraktiven Brutplatz anbieten will. »Sonst kommen am Ende nur die Spatzen und die sind ja meistens nicht so gern gesehen«, schmunzelt Esterman, der viel über das Nistverhalten unterschiedlicher Vogelarten weiß. So sollte das Einflugloch für Blaumeisen einen Durchmesser von 28 Millimetern haben, andere Vögel bevorzugen wiederum andere Arten von Nistkästen. Dem Heimatverein Tonnenheide schenkte er im August dieses Jahres einige seiner Kästen, die am Fachwerkhaus bei der Mühle angebracht und auch schon als Winterrefugium bezogen worden sind. Sowieso ist die Mühle ein Paradies für Vögel, wie Möhring beobachtet hat: »Sie warten auf den Reis, der hier bei Hochzeiten traditionell geworfen wird.« Etwa 600 standesamtliche Trauungen haben in der Hochzeitsmühle schon stattgefunden. Im Sommer 2006 werde die 666. Hochzeit in der Mühle stattfinden und auf besondere Weise gefeiert, wie Möhring verrät.

Artikel vom 31.12.2005