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Von Gretna Green in den Dom

In Gretna Green vorm Gummibaum wurden John und Gaby Liddel 1980 standesamtlich getraut.

Die Liddels feiern kirchliche Trauung und Silberhochzeit an einem Tag

Von Hubertus Hartmann (Text)
und Mario Berger (Foto)
Paderborn (WV). Sie war 15, er 20, als sie sich 1975 kennen lernten. Sie war Deutsche, er Brite. Im schottischen Heiratsparadies Gretna Green gaben sie sich am 23. Dezember 1980 das Ja-Wort. Auf den Tag genau 25 Jahre danach »legalisierten« Gaby und John Liddel ihre »wilde Ehe«.

Mit der kirchliche Trauung im Paderborner Dom feierte das deutsch-britische Paar zugleich Silberhochzeit und Gaby Liddels 45. Geburtstag. Die Söhne Johna-Paul und Darren fungierten als Trauzeugen ihrer Eltern. Wenn so viel Glück auf einmal kein Grund zum Anstoßen ist - herzlichen Glückwunsch, weiterhin alles Gute und Merry Christmas!
Keiner hat sie aufgelistet, aber es sind in den vergangenen 50 Jahren wohl tausende solcher Ehen zwischen deutschen Mädchen und jungen britischen Soldaten geschlossen worden. Die von John und Gaby Liddel, geborene Brosius, dürfte seit gestern zu den der besonderen Art zählen.
»Unsere Eltern waren damals damit überhaupt nicht einverstanden«, plaudert Gaby Liddels jüngere Schwester Ursula Kemena (40) aus dem Nähkästchen. Gaby war schließlich noch ein Teenager und John immerhin fünf Jahre älter - das konnte doch eigentlich nicht gut gehen. Im damaligen Cityclub hatten die beiden sich ineinander verliebt. Als 1979 der erste Sohn John-Paul, inzwischen 26, geboren wurde und Hans und Thea Brosius ihren süßen Enkel im Arm halten konnten, da waren auch sie schnell wieder versöhnt.
Die Trauung in dem kleinen Dorf direkt hinter der englisch-schottischen Grenze vollzog zwar nicht mehr, wie vor 250 Jahren noch üblich, der Dorfschmied, sondern ein richtiger Standesbeamter. Einen Hauch von Hippiezeit und wilder Romantik hatte die schlichte Zeremonie dennoch. »Für eine kirchliche Hochzeit hatten wir einfach kein Geld«, erzählt Gaby Liddel Deshalb gab's auch nur einen Ehering. Den trug sie.
Die kirchliche Heirat, das hatten sich Gaby und John schon damals in Gretna Green vorgenommen, sollte auf jeden Fall nachgeholt werden. Domkapitular Dr. Hieronymus Dittrich, der auch schon John-Paul getauft hatte, lächelte zufrieden, als er gestern Gottes Segen erbat und das ungewöhnliche Paar vor dem Altar erstmals richtig die Ringe tauschte. Jetzt hat auch John einen Ring - als Hochzeitsgeschenk seiner Frischvermählten. »Wir sind immer noch so verliebt wie früher und passen einfach optimal zusammen«, sagt sie über ihren Ehemann.
»Der John ist ein ganz prima Kerl«, lobt der 81-jährige Hans Brosius seinen Schwiegersohn. Und auf die beiden Enkelsöhne ist der Paderborner sogar richtig stolz. Nicht nur er. Auch Mutter Thea (79) strahlte gestern bei der Trauung in der Marienkapelle des Hohen Doms wie ein Christkind. Im Brauhaus wurde anschließend kräftig gefeiert. Ein Großteil der 40-köpfigen Hochzeitsgesellschaft war mit dem Brautpaar eigens von der Insel auf den Kontinent gereist. John und Gaby Liddel leben mit ihren beiden erwachsenen Söhnen - John-Paul ist Abteilungsleiter einer Bank, sein Bruder Darren (18) in der Versicherungsbranche tätig - glücklich in Bournemoth. Die Uniform hat John schon lange ausgezogen. Er ist heute Koch, seine Ehefrau Filialleiterin in einem Schuhgeschäft. Nach Paderborn kommen die Liddels mindestens einmal im Jahr, telefoniert wird regelmäßig. »Unsere ganze Familie versteht sich sehr gut«, erzählt Ursula Kemena. Und spätestens in 25 Jahren will das frisch vermählte Silberpaar wieder einen Gottesdienst im Hohen Dom feiern - zur Goldenen Hochzeit.

Artikel vom 24.12.2005