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Gerhard Etzien ist Superintendent des Kirchenkreises Herford.

Gedanken zu Weihnachten

Von Superintendent Gerhard Etzien


Weihnachten hält uns alle aus und noch viel mehr.
Die gesellschaftliche Befindlichkeit wird derzeit gerne beschrieben mit einem allgemeinen Trend zum Jammern, zum Klagen, zu Selbstmitleid und Verdruss. Es ist wohlfeil, sich über die Veränderung von Strukturen und Anrechten zu beklagen und immer auch eine Institution oder eine Person auszumachen, die gerade das höchst absichtsvoll betreibt.
An dieser Grundstimmung lässt sich nichts ändern - außer: man ändert das.
Weihnachten will uns dabei helfen. Weihnachten ist selber aus Jammer und Elend, aus Selbstmitleid und gesellschaftlichem Unrecht hervorgegangen.
Weihnachten hat damals mitten in höchst kritischer Lage mit revolutionärer Stimmung in der Luft stattgefunden. Weihnachten setzt sich diesen Belastungen aus und hält uns aus und noch viel mehr.
Das ist das Schöne daran: Nicht wir halten Weihnachten aus, Weihnachten hält uns aus. Und Weihnachten hält aus. Das ist eine große Leistung. Was muss in diesen Tagen nicht alles ertragen werden?! Weihnachten hält schlechten Geschmack aus. Weihnachten hält atemberaubende Duftkombinationen aus. Weihnachten hält Witze, Proteste, Streit und Frust, vereinzelte Klagen aus der Nachbarschaft und die traditionelle Klage aus dem Einzelhandel aus. Ist das nicht wunderbar, was Weihnachten alles aushält?
Iris Berben, die nun wirklich nicht im Verdacht steht, kirchliche Interessen zur Weihnachtszeit zu vertreten, hat diese Einsicht in einem alternativen Adventskalender aus ihrer Sicht entfaltet und beschreibt die nahezu grenzenlose Belastbarkeit des Weihnachtsfestes zwischen Süßwein und Marzipankartoffeln, zwischen pubertierend unfeierlichen Teenagern und Vätern mit Glanz in den Augen angesichts der Eisenbahn des Söhnchens. Und sie kommt bei Ihrer Wahrnehmung zu der Einsicht, dass keine und keiner an Weihnachten vorbeikommen. Das unerschütterliche Weihnachtsfest wird uns auch dieses Jahr wieder tragen. Das unerschütterliche Weihnachtsfest wird auch in diesem Jahr wieder Raum geben und Ansprache bieten für die Freude, die allem Volk widerfahren soll: Denn Euch ist heute der Heiland geboren, welcher der Herr ist in der Stadt Davids - und auch in unserer Stadt, in unserer Gegend.
Die vielen Gottesdienste mit den schönen weihnachtlichen Lieder singen und sagen von dieser Botschaft: Gott hält uns alle aus und noch viel mehr. Aushalten heißt ja auch nähren, unterhalten, erhalten und erdulden. Gott hält uns Menschen aus - wie Weihnachten uns aushält. Ob uns das spürbar werden kann in diesen heiligen Tagen? Ich wünsche das Ihnen und Ihren Familien, Ihren Freunden und Ihren Arbeitskollegen sehr.

Artikel vom 24.12.2005