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»Massi« läutet die Kirchenglocke

Arminia-Profi Porcello hilft DSC-Fan Rolf Sundermann bei der Arbeit

Von Dirk Schuster
Bielefeld (WB). Massimilian Porcello liebt es an Weihnachten traditionell. Familie, Kekse, Kerzen - »ein langer Spaziergang gehört auch dazu«, sagt der Fußballprofi von Arminia Bielefeld. Den Kirchenbesuch zog der 25-Jährige vor. Auf Einladung von DSC-Fan Rolf Sundermann sah sich Porcello einen Tag vor Heiligabend im Bünder Ortsteil Hüffen (Kreis Herford) die Johanneskirche an.
Presbyter Rolf Sundermann freut sich über die prominente Hilfe beim Baumschmücken.

Sundermann ist hier Presbyter, seine Frau Annelore Küsterin. Beide zählen bei den Arminia-Spielen in der SchücoArena zu den Stammgästen. Und nicht nur das. »Drei Mal in der Woche fahre ich nach Bielefeld und sehe mir das Training an der Friedrich-Hagemann-Straße an«, sagt Rolf Sundermann. Hin und zurück sind das für den gebürtigen Bünder 40 Kilometer, nur, um die Arminen bei der Arbeit zu beobachten. Jetzt sah der 59-Jährige die Zeit gekommen, den Spieß umzudrehen. Er fragte Massimilian Porcello, ob er Interesse habe, sich einmal den Arbeitsplatz des waschechten DSC-Fans anzuschauen. »Religion, Glaube, Kirche - diese Themen interessieren mich sehr«, erklärt Porcello, warum er gern zusagte.
Nicht einmal die vielen Treppenstufen hinauf auf den Glockenturm konnten ihn abschrecken. Und das, obwohl er gerade erst einen Ermüdungsbruch im Mittelfuß auskuriert hat. »Der Fuß fühlt sich aber schon wieder sehr stabil an. Ich werde während der Winterpause viel Sport treiben«, kündigt Porcello an. Im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach vor exakt drei Monaten war er zum bisher letzten Mal für Bielefeld am Ball. Danach wurde die schwere Verletzung diagnostiziert, seitdem hat der Mittelfeldspieler nicht mehr gegen den Ball getreten.
»Bis zum Trainingsauftakt am 3. Januar werde ich viel laufen, auch etwas Krafttraining machen«, sagt Porcello. Aber erst von Montag an, »die Feiertage 24. und 25. Dezember sind für die Familie reserviert.« Mutter Ursula und Vater Giuseppe leben im niedersächsischen Obernkirchen, »am Samstag feiere ich mit dem deutschen Teil meiner Verwandtschaft, am Sonntag mit dem italienischen. Da kommen bestimmt 30 bis 35 Leute zusammen«, freut sich der in Bückeburg geborene Sohn eines sizilianischen Einwanderers schon auf das Wiedersehen mit Freunden, Bekannten und Verwandten. »Vielleicht sitze ich am Sonntag schon wieder in der Kirche«, überlegt Porcello. Ein regelmäßiger Kirchgänger sei er zwar nicht, »doch ich bin gläubiger Christ, bete jeden Abend vor dem Einschlafen. Einer meiner besten Freunde ist Türke. Wir diskutieren viel über Islam und Christentum. Das sind hoch interessante Themen.« Für die vielen Italiener, die in Obernkirchen leben, wird hier am Sonntag sogar ein Gottesdienst in deren Muttersprache gehalten.
Bei Familie Sundermann stimmte sich Porcello aufs Weihnachtsfest ein, probierte nicht nur die selbstgebackenen Plätzchen von Tochter Kathrin, sondern half sogar beim Baumschmücken in der Kirche. Auch an der Orgel probierte sich der Fußballer, musste aber einsehen, mehr Talent in den Füßen als in den Fingern zu haben.
Spätestens während des Trainingslagers vom 9. bis 16. Januar in Südspanien möchte Porcello dieses Talent nutzen, um sich wieder in die Mannschaft zu spielen. Nicht nur sein Trainer Thomas von Heesen, auch Rolf Sundermann wird hier ein waches Auge auf den Rückkehrer werfen. »Meine Frau schenkt mir jedes Jahr die Reise ins Trainingslager zu Weihnachten«, bedarf es keiner Überraschung, um Rolf Sundermann glücklich zu machen. Er sagt: »Ein schöneres Geschenk kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin Annelore sehr dankbar, dass sie für meine Arminia-Leidenschaft so viel Verständnis hat.«

Artikel vom 24.12.2005