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Arbeiten, wenn andere feiern

Polizisten, Feuerwehrleute und viele andere mussten auf ihr Fest verzichten

Von Silke Schade (Text und Fotos)
Löhne (LZ). Während sich die meisten über ein paar Tage mit ihren Lieben gefreut haben, war Weihnachten für andere ein Arbeitstag wie jeder andere auch - manchmal sogar etwas stressiger als sonst.

Ein Plastikbaum mit roten Schleifen und Lichterkette sorgte auf der Polizeiwache wenigstens für einen Hauch von Feststimmung. Nicht weit davon entfernt hockte Mario Hoffmann hinter seinem Schreibtisch und wälzte haufenweise Akten, während seine Kollegen Streife fuhren.
Der Polizeikommissar empfand es nicht als Belastung, am ersten Weihnachtsfeiertag Dienst schieben zu müssen. »Mir ist es wichtiger, dass die Familienväter frei haben und die Zeit mit ihren Kindern verbringen können.« Außerdem sei der Dienstplan schon Ende Oktober aufgestellt worden. »So hatte ich lange genug Zeit, meine eigenen Feiern entsprechend zu planen«, erzählte der 41-Jährige.
Oberbrandmeister Michael Wellsandt wäre am Sonntag schon gerne bei seinen Lieben gewesen. Seine Kinder Jan Cassen (6), Sarah (11) und Julian (17) hätten sicher auch nichts dagegen einzuwenden gehabt. Doch es ging nicht, die Pflicht rief. Der Familienvater musste gemeinsam mit sechs Kollegen auf der Feuerwache ausharren, um im Notfall schnell ausrücken zu können. »Soweit wie möglich nehmen wir bei der Diensteinteilung Rücksicht darauf, wer kleine Kinder hat«, erklärte Schichtführer Heinz Möller (55), »letztlich muss zu Weihnachten aber jeder einmal ran.«
Für Michael Wellsandt war der Dienst am ersten Feiertag das kleinere Übel. »Schlimmer wäre es gewesen, wenn ich an Heiligabend hätte arbeiten müssen«, glaubt der 35-Jährige, »meine Kinder sind heute sowieso damit beschäftigt, ihre Geschenke auszuprobieren Da vermissen sie ihren Vater gar nicht so sehr.«
Auch Nicole Fischer (30) musste ihre Lieben an den Feiertagen vorübergehend alleine lassen. Die Gäste im Hotel-Restaurant Schewe wollten schließlich verwöhnt werden. Ihren Einsatz sah die Hotelfachfrau professionell: »Das gehört zum Beruf einfach dazu. Das weiß man, wenn man ihn ergreift.« Kollegin Daniela Schmidt (23) konnte ihrem Dienst noch Positiveres abgewinnen: »Das Weihnachtsgeschäft ist zwar stressig, die Gäste sind aber festlich gestimmt und locker drauf.«
Ähnliches stellte auch Regine Möller fest. »Zu Weihnachten ist bei uns immer richtig viel los«, weiß die 27-Jährige, die in der Aral-Tankstelle an der Lübbecker Straße in Mennighüffen jobbt. »Dann kommen die, die vorher vergessen haben, etwas einzukaufen. Die meisten sind dankbar für diese Ausweichmöglichkeit.« Ihren Einsatz begründete die Löhnerin pragmatisch: »Ich kann das zusätzliche Geld gut gebrauchen.«
Über die Großzügigkeit seiner Kunden freute sich Taxifahrer Mehmet Bülent Avsar (45): »An Weihnachten gibt's immer etwas mehr Trinkgeld als sonst.« Weil das christliche Fest für ihn als Moslem keine so große Bedeutung hat, machte es ihm auch nichts aus, während der Feiertage am Steuer zu sitzen. »So können meine deutschen Kollegen mal etwas kürzer treten.«
Einen Gang herunterschalten, das kam für Marissa Dietsch (20) und Christin Karstedt (24) nicht in Frage. Sie hatten alle Hände voll zu tun, um die Senioren im Altenwohnheim Mennighüffen in Weihnachts-Stimmung zu versetzen: festliche Kleidung aussuchen, Kaffee und Kuchen servieren, bekannte Weihnachtslieder anstimmen. Doch nicht nur wegen der feierlichen Atmosphäre lohne sich das Arbeiten, waren sich die beiden Altenpflegerinnen einig. »Wer an Weihnachten im Einsatz ist, hat Silvester frei.«

Artikel vom 27.12.2005