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Saft und Kekse zwischen Fachwerk

Inhaber Hans Scheibner öffnet Tür zum Römermarkt - 2003 einen Räuber verjagt

Von Monika Schönfeld
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Die hölzerne 75 steht noch vor der Tür des Römermarktes. Am Montag hat Hans Scheibner Geburtstag gefeiert. Und ans Aufhören denkt der Inhaber des 200 Quadratmeter großen Supermarktes an der Römerstraße noch lange nicht, auch wenn er die Öffnungszeiten jetzt von 8 bis 13 Uhr begrenzt hat. Wenn Hans Scheibner die Tür zum Römermarkt öffnet, lassen altes Fachwerk, ein historischer Essigkrug, eine Familienbibel und Bilder seines vor drei Jahren verstorbenen Vaters Werner die mehr als 100-jährige Geschichte des Supermarktes ahnen.

Der ursprüngliche Römermarkt - ein altes Fachwerkhaus mit Maggi-Reklame und Lindenbäumen vor der Tür - steht nicht mehr. 1904 eröffnete Hans Scheibners Schwiegermutter Katharina Wickermeier, eine geborene Lüke und deshalb nur Lükens Kathrin genannt - an der Ecke Römerstraße/Augustdorfer Straße einen neuen Supermarkt, der damals vermutlich nur Geschäft hieß. 1969 heiratete Hans Scheibner die Tochter Änne Wickermeier, die im Januar im Alter von 82 Jahren gestorben ist.
»Eigentlich wollte ich 2004 den Laden schon zumachen, als meine Frau so krank war«, erzählt Hans Scheibner. »Dann dachte ich mir - machste weiter, dann ist es nicht so langweilig.« Der Markant-Markt gehörte früher 50 Jahre lang der Edeka-Einkaufsgemeinschaft an. »Für die sind wir uninteressant geworden - der Laden ist einfach zu klein.« Neben der normalen Öffnungszeit werktags bis 13 Uhr macht Hans Scheibner den Römermarkt auch sonntags von 10 bis 11 Uhr auf. »Das ist ein Hobby. Jetzt, wo man an jeder Tankstelle sonntags Brötchen bekommt, wäre das eigentlich nicht mehr notwendig.«
Reich werde er mit dem Umsatz des Ladens nicht - aber dazubuttern muss er auch nicht. »Aldi hat uns nichts getan, die verkaufen Eigenmarken. Mit dem Marktkauf konnten wir auch noch leben. Den Lidl merken wir aber. Allmählich wird die Kundschaft weniger«, sagt Scheibner. Er lebe von den Stammkunden und beliefert persönlich morgens die umliegenden Betriebe mit belegten Brötchen. Ihre Bestellung faxen sie ihm - er bringt, was gebraucht wird: Getränke, Zigaretten, Lebensmittel.
Hans Scheibner ist in Wuppertal geboren. Sein Vater war beim Arbeitsdienst im Rang eines Generals beschäftigt und wurde oft versetzt. Über unterschiedliche Stationen landete Hans Scheibner erst in Hamburg, dann in Brünn, von dort aus flüchteten er und seine Mutter 1945 erst nach Bayern, dann nach Hagen, wo ein Bekannter seines Vaters die Familie aufnahm. Dieser hatte in Senne II einen Bauernhof, auf dem Hans Scheibner als Milchfahrer begann und zwischenzeitlich auch bei der Molkerei in Lage arbeitete. Mit einem Kollegen traf er sich sonntags morgens immer im Römermarkt, um einen »Leibwächter« zu trinken. So lernte er seine zukünftige Frau kennen.
Ein bisschen stolz ist Hans Scheibner darauf, wie er im Januar 2003 einen Räuber losgeworden ist. »Es fing an, dunkel zu werden. Der Mann hatte einen Motorradhelm auf und eine Pistole in der Hand. »Kasse aufmachen«, habe er gerufen. In der Einkaufstasche sei deutlich ein Messer zu sehen gewesen. »Geld gibt's nicht«, habe Scheibner geantwortet. Denn entgegen seiner üblichen Praxis hatte er tatsächlich etwa 500 Euro in der Kasse. Der Räuber hat Scheibner mit dem Pistolenknauf an den Kopf geschlagen. »Das hat gewaltig geblutet«, erinnert er sich. Dann habe der Mann auch noch die Schreckschusspistole an seinem Ohr abgefeuert, die Schmauchspuren haben die Ärzte im Krankenhaus Rosenhöhe weggewischt. Mit einem Trick wurde Scheibner den Übeltäter los. Er zog an einer Strippe mit Klingel. Als die ertönte, machte sich der Mann aus dem Staub. »Die Verletzung am Kopf war nicht so schlimm wie sie aussah. Ich konnte am Abend schon wieder mit dem Taxi nach Hause«.
Hans Scheibner ist ein freier Mann. »Ich kann den Laden jederzeit zumachen, wenn ich es leid bin«, lacht er. Es scheint aber, dass das noch lange nicht passiert. Neben dem Fachwerk aus dem Krusenhof will er ein weiteres Fachwerk aus Gütersloh in das Geschäft einbauen. »Ins Wohnhaus durfte ich den alten Klüngel nicht bringen«, sagt Scheibner. Seinen Laden zieren alte landwirtschaftliche Geräte, wie Schubkarren, Bilder mit »römischen« Motiven seines Vaters, eine Apotheker- und andere Waagen, ein Deelenbalken aus dem Lippischen, ein Bienenkorb, ein alter Kaffeeröster und mehr. Es lohnt sich also, die Tür zum Römermarkt einmal aufzumachen.

Artikel vom 23.12.2005