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Landrat Müller und seine drei »K«

Warum der Chef im Kreishaus etliche Millionen Euro in Klöster und Museen steckt

Von Karl Pickhardt (Text)
und Wolfram Brucks (Foto)
Kreis Paderborn (WV). Er sieht sich als Mann für das dreifache »K«: Nach dem ersten (fast) kompletten Müller-Jahr genießt dieser Buchstabe bei Landrat Manfred Müller (44) allerfeinste Priorität. Kloster Dalheim, Kreismuseum Wewelsburg und Kammerspiele Paderborn bestimmten dieses Jahr die Finanzpolitik im Kreishaus und kosten einen Haufen Geld. Dafür nimmt Müller gar neue Schulden auf und opfert den letzten Cent der Rücklagen.

Niemals zuvor in der Geschichte des Kreises Paderborn wird in die Kultur so viel Geld investiert wie in der Ära von Landrat Manfred Müller. »Wir müssen das kulturelle Profil stärken« hat sich der Vater einer 17-jährigen Tochter auf die Fahne geschrieben. Der einstige Lichtenauer Bürgermeister kann rechnen: Der Ausbau des Kreismuseums und des Klosters Dalheim sowie der Neubau der Kammerspiele in Paderborn kosten die Kreiskasse zwar mindestens neun Millionen Euro, spülen aber auch mehr als 45 Millionen Euro von außerhalb ins Paderborner Land. Allein der Landschaftsverband Westfalen-Lippe will mittelfristig 40 Millionen Euro in die Kultur-Perle Dalheim investieren. Wirtschaftsförderung in höchster Güte: Da nimmt der Landrat neue Schulden und den Verzehr der Rücklagen in Kauf.
Die Millioneninvestitionen in Kloster, Museum und Kammerspiele rechtfertigt Landrat Müller als »weichen Standortfaktor«. Der CDU-Politiker weiß nicht zuletzt nach seiner von ihm initiierten und mittlerweile in anderen Landkreisen kopierten Zukunftskonferenz, dass auch im Paderborner Land die Bevölkerung altert und schrumpfen wird. »Wir müssen daher zunehmend fragen, was eine Region bieten kann«, möchte der Landrat nach 15 Monaten Amtszeit »sein« Paderborner Heimatland aus der grauen Masse stärker herausheben und attraktiv machen: »Nur Gewerbegebiete auszuweisen oder Existenzgründerberatung anzubieten bringt es doch auch nicht«. Klöster und ein Museum wie Wewelsburg mit bundesweiter Bedeutung sollen Paderborn nach vorn bringen. Ungeachtet des Streits um den Theaterneubau in Paderborn steht der Landrat zu seiner Zusage über sechs Millionen Euro für ein neues Haus am Kötterhagen.
Das erste komplette Landrat-Jahr liegt in wenigen Tagen hinter Manfred Müller. Der Nachfolger von Dr. Rudolf Wansleben (54) und Chef von 750 Mitarbeitern rund um die Kreisverwaltung hat in finanziell schwierigster Zeit das Ruder übernommen. Obwohl die Kosten für die so genannten Hartz-IV-Bezieher fast wie in einem Fass ohne Boden davon galoppieren, gelingt dem Attelner das Kunststück, den Haushalt 2006 ohne neue Kreis-Lasten (Kreisumlage) für die Kommunen zu fahren. Aus Bürgermeister-Tagen in Lichtenau weiß Manfred Müller, dass eine Erhöhung der Kreisumlage in etlichen Kommunen zu kommunalen Steuererhöhungen geführt und damit weiter die Kaufkraft der Bürger geschwächt hätte. Die ausgereizte Sparpolitik hat im Paderborner Land ohnehin Begehrlichkeiten geweckt Das bekam der Landrat zum Beispiel bei Debatten um den Fortbestand der Kreisbücherei zu spüren, die Borchen wegen 6000 Euro Jahresersparnis verlassen hat. Müllers Amtsvorgänger Wansleben handelte sich deshalb noch eine Klage aus Borchen ein: Müller hat den Bücherbus-Streit mit Borchen inzwischen ohne Richterbeschluss auf gütlichem Weg beigelegt und damit nach seiner eigenen Einschätzung den Bücherbus zunächst gerettet.
Manfred Müller untersteht als Landrat auch die Kreispolizeibehörde, um deren weitere Eigenständigkeit er in Paderborn kämpft. Eine drohende Zusammenlegung mit Höxter und Lippe ist offenbar vom Tisch: Dafür opfert Müller die Inspektion in Schloß Neuhaus und führt alle Führungskräfte in Paderborn zusammen. Auch diese kleine Polizeirevolution vollzieht sich ohne lautes Tamtam. Alle Polizeiwachen bleiben erhalten - aber es gibt weniger Häuptlinge. »Unsere Polizei ist Dienstleister für Sicherheit«, definiert Manfred Müller den Slogan »Die Polizei - Dein Freund und Helfer« neu.
Ein neuer Landrat stürzt nicht gleich alle Wände im Kreishaus ein, - schon lange nicht ein Landrat vom Typ Manfred Müller. Aber es gibt schon Veränderungen: Dazu zählt auch die Wiedereinführung der Schuleingangsuntersuchungen aller vier und fünf Jahre alten Kinder.
Der Christdemokrat setzt mit seiner Mannschaft stärker auf Teamgeist, delegiert viele Aufgaben und Verantwortung und verschmäht die Knute der Autorität. Das Gefühl »Wir sitzen in einem Boot« zeigt sich auch am Projekt »100 pro«: Zwischen Bauantrag und Genehmigung will der »Herrscher im Kreishaus« allenfalls 40 Tage ins Land ziehen sehen. Dafür hat er etliche Behörden und Bedenkenträger gebündelt. Das früher oft gescholtene Bauamt wird zur Tempo-Behörde. »Ich bekomme kaum noch Bau-Fälle auf den Tisch, bei denen es hakt«, bilanziert der erste Bürger dieses Kreises.
Für die nächsten Jahre sieht der Landrat bergeweise Arbeit. 27 Verkehrstote allein bis Ende November in diesem Jahr auf Paderborner Straßen sind Manfred Müller ein Gräuel. Er weiß, welches Elend ein Unfalltod auslöst: Manfred Müller hat einst selbst einen älteren Bruder bei einem Verkehrsunfall verloren. »Da sehen wir schlecht aus«, beklagt der Landrat wieder eine zunehmende Zahl an Verkehrstoten. Müller sieht im Alkoholmissbrauch in der jungen Generation, besonders unter Aussiedlern, eine mögliche Ursache. Außerdem fördere die Landkreisstruktur mit Paderborn als herausragendem Oberzentrum eine solche Entwicklung: »Bei uns wird viel mehr gefahren, deshalb lauern auch mehr Gefahren«, setzt der Landrat auf noch mehr Kontrollen durch die Polizei.
Im jahrzehntelangen Gezerre um neue Umgehungsstraßen für Bad Wünnenberg, Salzkotten oder Steinhausen reißt dem Landrat allmählich der Geduldsfaden. Er will endlich Taten und Bagger sehen und daher verstärkt diese Themen anpacken. Das gilt auch für eine Neubelebung der Sennebahn, die nach seiner Ansicht viel mehr leisten könne. »Und am Paderborner Bahnhof muss auch endlich etwas passieren«, notiert der Landrat Müller im Müllerschen Arbeitsplan »Zukunft«.
Sein Resümee nach 15 Monaten Landrat: »Ich gehe unheimlich gern zur Arbeit«.

Artikel vom 23.12.2005