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Sofort ins kalte Wasser gesprungen

Nach 31 Jahren bei Bertelsmann geht Finanzchef Dr. Siegfried Luther in Pension

Von Michael Delker
Gütersloh (WB). Auf seinen Resturlaub verzichtet Dr. Siegfried Luther. Bis zum letzten Arbeitstag wird der Finanzchef hinter seinem Schreibtisch in der Bertelsmann-Hauptverwaltung sitzen und über die Zahlen des Hauses wachen. Der Abschied in den Ruhestand erfolgt am morgigen Freitag, wenn in der Konzernzentrale die so genannte »Treppen-Weihnacht« mit einer Ansprache des Vorstandsvorsitzenden Gunter Thielen gefeiert wird und für die Mitarbeiter der Urlaub bis zum Jahresende beginnt.

Wie es sich für den »Herrn der Bertelsmann-Zahlen« gehört, hat Dr. Siegfried Luther auch für sein Ausscheiden aus dem Medienkonzern eine Formel gefunden: 62, 31 und 15,5. Eine Zahlenspielerei, die durchaus Sinn macht. »Ich bin im 62. Lebensjahr, 31 Jahre bei Bertelsmann und 15,5 im Vorstand. Der Zeitpunkt für das Ausscheiden ist also günstig«, schmunzelt der zukünftige Pensionär.
In seinen 31 Jahren bei Bertelsmann hat Luther den Aufstieg von einem Unternehmen mit einem Umsatz von 550 Millionen Euro zu einem global agierenden Medienkonzern hautnah mitverfolgt und mitgestaltet. Eines waren die Zeiten ganz gewiss nicht: langweilig. Wie spannend die Jahre im Konzern waren, zeigen Luthers Antworten zu folgenden Themen.
Zu seinen Anfängen bei Bertelsmann: »Bei Bayer Leverkusen bin ich nach acht Monaten gegangen. Eine wunderbare Firma, aber sie war mir zu langweilig. Hier war es anders. Nach drei Tagen schickte mich Reinhard Mohn nach Norwegen, weil dort ein Club aufgemacht werden sollte. Ich sollte rechtliche und steuerliche Fragen klären. Das war ein Sprung ins kalte Wasser.«
Das schönste Erlebnis: »Das hatte ich am 30. März 2001, als mit dem Mediaways-Verkauf, der ersten Vereinbarung zu AOL und der Vereinbarung mit der GBL (Groupe Bruxelles Lambert) drei große Deals zusammenkamen. In den Wochen zuvor hatte ich unter großem Druck gestanden. Abends wartete bei mir Zuhause die Doppelkopfrunde auf mich. Als alles geklärt war, konnte ich richtig gut aufspielen.«
Das unangenehmste Erlebnis: »Das war die Überweisung von 160 Millionen Euro an Andreas von Blottnitz und Jan Hendrik Buettner«, sagt Luther. Die beiden Ex-Manager hatten 2004 einen Gewinnanteil aus dem Verkauf der Bertelsmann-Anteile an AOL Europe eingeklagt und von einem kalifornischen Gericht 209 Millionen Euro zugesprochen bekommen. Der Streit endete in einem Vergleich. Luther: »Den Betrag zahlen zu müssen, war bitter.«
Die lustigste Begebenheit: »Bei der letzten Betriebsfeier haben Auszubildende das Stück ÝKönig der LöwenÜ aufgeführt und das Stück auf mich gemünzt, weil ich im August Geburtstag habe und vom Sternzeichen Löwe bin. Legendär sind auch die Bilder von unseren Klamottenbällen. Insgesamt gesehen gab es viele tolle Momente.«
Über das Leben als Top-Manager: »Der Kontakt zum Ýwirklichen LebenÜ ist wichtig. Wenn ich mit meiner Frau nach Frankreich will, fliegen wir ganz normal mit Easy-Jet. Man darf nicht vergessen, wie dornenreich das Leben sein kann.«
Zur Nachfolge von Gunter Thielen als Vorstandschef: »Ich bin aus dem Rennen. Alles was derzeit darüber geschrieben wird, ist das Umrühren von alten Informationen. Zu meinem 60. Geburtstag wurden zum Thema ÝWie geht der Vorstand miteinander umÜ Szenen aus der Muppet-Show zusammengeschnitten. Gunter Thielen sagt darin zu jemanden: ÝDas kostet dich zwei Stufen auf der Nachfolgeleiter.Ü Das Beispiel zeigt: Wir gehen auch humorvoll mit dem Thema um.«
Über seinen Nachfolger Thomas Rabe: »Er hat bei RTL einen tollen Job gemacht, an ein paar Gütersloher Dinge wird er sich gewöhnen müssen. Noch hatten wir nicht die Zeit zur Übergabe.«
Zu seinen Plänen als Pensionär: »Ich bin froh, die Dinge künftig mit mehr Zeit angehen zu können. Das erste große Ruhestandsprojekt ist eine dreiwöchige Reise nach Argentinien. Erst wollten wir vier Wochen fahren, doch es war mir dann unheimlich, so lange weg zu sein. Die Reise wurde deshalb auf drei Wochen zusammengestrichen.«

Artikel vom 22.12.2005