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Gutachten nicht
zu erschüttern

Strafe wegen Versicherungsbetruges

Halle (pes). Das flammende Plädoyer ihres Anwaltes konnte das Blatt nicht mehr wenden: Die 40-jährige Annette F. (Name geändert) aus Halle muss wegen Versicherungsbetruges eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu 20 Euro berappen.

Es war im Sommer 2002, als die Hallerin ihrer Versicherung einen Brandschaden meldete. Die im Keller deponierten Schlafzimmermöbel sollen durch eine umgestürzte Öllampe Feuer gefangen haben. Ein von der Bremer Versicherung beauftragter Möbelfachmann ließ sich von den angekokelten Möbeln auch beeindrucken, nicht aber ein Gutachter, den ein skeptisch gewordener Versicherungs-Mitarbeiter beauftragt hatte. Chemische Untersuchungen auf Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) verliefen ebenso wie Riechproben und Wischproben unter der Decke und in einem Abluftrohr: »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat es in dem Keller nicht gebrannt«, war der Sachverständige überzeugt, weil weder genügend PAK noch Ruß gefunden hatte.
Anwalt Torsten Rock aber versuchte die Einschätzung des Anwalts zu erschüttern, zweifelte die Erfahrungswerte ebenso an wie richtige Wischtechnik auf der Suche nach altem Ruß und Riechvermögen auf der Fährte alter Rauchgase. Immerhin war der Brand schon eineinhalb Jahre alt, als der Gutachter in den Keller kam. Aber auch dann, so hatte er schon beim ersten Verhandlungstermin am 12. Dezember versichert, könne man alten Qualm noch riechen.
Um das Gutachten zu erschüttern, ließ Anwalt Rock gestern noch den Lebensgefährten und die beiden Kinder (16 und 14) der Hallerin aufmarschieren. Ihre Aussagen deckten sich weitgehend, obwohl alle drei beim eigentlichen Brand nicht im Haus waren. Aber auch sie hatten immerhin die angekokelten Möbel in Augenschein genommen, der Mann sogar die Türen aufgerissen, um den verqualmten Keller zu lüften.
Genau diesen Qualm aber kann es nach Aussage des Gutachters eigentlich gar nicht gegeben haben. Das sah auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft so, der sogar dem Lebensgefährten der Angeklagten androhte, ein Ermittlungsverfahren wegen bewusster Falschaussage einzuleiten. Auch Richter Peeter-Wilhelm Pöld war von den Versuchen des Rechtsanwaltes, das Gutachten zu erschüttern, wenig beeindruckt. Er schenkte dem Sachverständigen volles Vertrauen, bezog in sein Urteil aber auch Indizien aus dem Umfeld der Angeklagten ein. Da nämlich sind mehrere Verfahren oder wenigstens Vorwürfe wegen Versicherungsbetruges anhängig.
Rechtsanwalt Torsten Rock jedenfalls kündigte gleich nach dem Urteil an, dass seine Mandantin in die Berufung gehen werde. Er wolle dann ein Gutachten vorlegen, wonach Brände auch bei einem ganz geringen PAK-Wert möglich sein können. Auszuschließen ist gar nichts, wie auch der Gutachter eingestehen musste.

Artikel vom 22.12.2005