21.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Eisenbahnen
in künstlicher
Schneewelt

WESTFALEN-BLATT-Serie - Folge 3

Brackwede (sw). Schwitzend werde er die Feiertage verbringen, antwortet René Thannhäuser auf die Frage, wie Heiligabend und Weihnachten in diesem Jahr bei ihm aussehen. Kein Wunder, schließlich lebt der 16-jährige Schüler des Brackweder Gymnasiums im Moment in Costa Rica. Und dort ist gerade Hochsommer.

In der Stadt San Antonio im Kanton Puriscal ist René gelandet. Dort verbringt er ein Jahr und verbessert unter anderem seine Spanischkenntnisse. Außerdem taucht er in eine fremde Kultur ein, denn obwohl einige Weihnachtsbräuche in Costa Rica den deutschen Traditionen nicht unähnlich sind, ist es doch etwas anderes, das Christfest bei tropischer Schwüle zu feiern. Mitte Dezember begann der Hochsommer, der geprägt ist durch Trockenheit. »Es hat jetzt schon seit etwa drei Wochen nicht mehr geregnet, und die Hitze ist extrem«, erklärt der 16-Jährige, der später vielleicht Psychologie, Philosophie, Geschichte oder Politikwissenschaften studieren möchte. »Oder ich werde einfach Guerillero in Lateinamerika«, fügt er - sicherlich nicht ganz ernst gemeint - hinzu.
»Die Weihnachtszeit in Costa Rica beginnt Mitte November mit den ersten Werbespots im Fernsehen und im Radio«, erzählt der 16-Jährige. Die Menge halte sich jedoch in Grenzen - in Costa Rica nämlich stehe noch der christliche, ursprüngliche Sinn von Weihnachten im Mittelpunkt, nicht so sehr der westlich-materialistische: »Das fröhliche Zusammensein und das Feiern der Geburt des Sohnes Gottes sind wichtiger als das Schenken und Beschenken.«
Beliebt ist in dem mittelamerikanischen Land auch das Wichteln. »Das heißt, dass die zum Teil sehr großen Familien - meine Gastfamilie besteht pro Elternteil aus etwa 90 Personen - auslosen, wer wem etwas schenken muss.«
Anfang Dezember wird damit begonnen, die Häuser zu schmücken. »Die Weihnachtsbäume werden aus den Abstellkammern geholt«, berichtete René. »Sie sind nämlich unecht.« Außerdem werden die Häuser dekoriert. »Es gibt hier grob zwei ÝHausschmückergruppenÜ«, schildert der Brackweder. »Die traditionelle, einfache und eher kitschige Gruppe und die, die das Vorbild USA zu kopieren versucht.« Bei letzteren fahren zum Beispiel im Vorgarten Spielzeugeisenbahnen durch künstliche europäische oder nordamerikanische Schneelandschaften.
René selbst wird Heiligabend sehr familiär verbringen. Nachmittags werden die Großeltern besucht, abends findet im Haus der Gastfamilie die Bescherung statt. »Danach geht es in die Kirche. Das ist hier Pflicht.« Nach dem Gottesdienst kommen diverse Onkel, Tanten und Cousins, mit denen gemeinsam das Heiligabendessen verspeist wird: Chicharrones (Bauchfleisch und Speck eines Schweines), Reis und Bohnen, Salate und Früchte. Am ersten Weihnachtstag geht es zum Baden ans Meer oder einen Fluss beziehungsweise zum Wandern.
Seine Weihnachtsgrüße schickt der 16-Jährige an seine Mitschüler und Lehrer am Brackweder Gymnasium, den Thannhäuser-Anders-Greiffenhagen-Clan und alle, die ihn kennen: »Feliz Navidad«.
Lesen Sie morgen im vierten Teil der WESTFALEN-BLATT-Serie: Virsavija Fuhrmann aus Dalbke grüßt aus Oxford im US-Bundesstaat Nebraska.

Artikel vom 21.12.2005