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»Mit 17 Punkten können
wir nicht zufrieden sein«

Winterpause in der Oberliga: DSC-Coach Roger Schmidt im Interview

Delbrück (WV). Wenn die Verantwortlichen des Delbrücker SC in diesen besinnlichen Tagen die ersten 17 Oberliga-Spiele der Vereinsgeschichte Revue passieren lassen, wird sich die Begeisterung über die sportliche Momentaufnahme in Grenzen halten. Der DSC feiert Weihnachten auf Rang 16. Wäre die Fußballsaison schon jetzt zuende, stiege der Aufsteiger gleich wieder ab. Wie Delbrücks Coach Roger Schmidt dieses Szenario verhindern will, erklärte er im Gespräch mit WV-Sportredakteur Elmar Neumann.
Herr Schmidt, nach 17 Punkten aus den ersten 17 Spielen überwintert der Delbrücker SC in der Oberliga auf einem Abstiegsplatz. Das kann nicht im Sinne eines Aufsteigers sein, oder?Roger Schmidt: Wir können in der Tat nicht zufrieden sein. Weder was die Punkte angeht, noch was die Platzierung betrifft. Da hatten wir uns mehr erhofft. Die Mannschaft hat allerdings gezeigt, dass sie in der Oberliga nicht überfordert ist. Das Potenzial reicht aus. Leider haben wir es versäumt, uns eine bessere Situation zu schaffen. Wenn uns gegen die direkten Konkurrenten zwei Siege mehr gelungen wären, gingen wir mit etwas mehr Gelassenheit in die Winterpause. So aber sind es lediglich 17 Punkte und das ist einfach zu wenig.

Ist der 16. Rang eine leistungsgerechte Platzierung?Roger Schmidt: Mit den Siegen gegen Lotte und Dortmund hatten wir absolute Highlights, wir haben - gerade zuhause - aber auch einige Pflichtpunkte liegen lassen. Da springt dann am Ende nicht mehr als ein 16. Platz heraus.

Gibt es eine Erklärung dafür, dass sich Ihr Team gegen die Top-Mannschaften der Liga in der Regel wesentlich leichter tut?Roger Schmidt: Direkte Konkurrenten verfolgen eine ähnliche Taktik wie wir, sind zunächst auf Sicherung bedacht, um dann mit Kontern zum Erfolg zu kommen. Wir haben uns zwar viele Chancen erarbeitet, doch letztendlich hat uns in diesen Spielen die nötige Durchschlagskraft gefehlt. Wenn man lange vergeblich anrennt, ist man dann hinten irgendwann mal nicht mehr 100prozentig sortiert und das wird in dieser Liga von den meisten Gegnern bestraft. Gerade in solchen Spielen hätte uns ein regionalliga-erfahrener und torgefährlicher Mittelfeldspieler wie Markus Winter (Anm. d. Red.: musste seine Karriere aufgrund eines Knorpelschadens im Knie mit Saisonbeginn beenden) erheblich weiterhelfen können.

15 Tore in 17 Spielen - die Chancenverwertung ist das größte Manko des DSC. Trägt die Hoffnung auf Besserung allein den Namen Raffaele Wiebusch?Roger Schmidt: Man sollte nicht meinen, da kommt jetzt der Wiebusch und alles wird gut. Sicher, ich freue mich, dass er uns im neuen Jahr zur Verfügung steht, aber auch von unseren anderen Stürmern erwarte ich erhebliche Leistungssteigerungen. Ein Dietmar Fulhorst beispielsweise konnte aufgrund seiner langwierigen Verletzungsprobleme bislang nur andeuten, wie wichtig er für uns sein könnte. Sein Kopfballspiel ist auch für Oberliga-Verhältnisse absolut überdurchschnittlich. Ein Manuel Eckel hat einige gute Spiele abgeliefert, sich viele Chancen erarbeitet. Nur fehlt es ihm im Abschluss noch an der nötigen Cleverness und Ruhe, aber man darf nicht vergessen, wie jung er ist und dass er vor einem Jahr noch in der Kreisliga gespielt hat. Daniel ist auf einem sehr guten Weg. Ihm ist in der Rückrunde eine Menge zuzutrauen. Dann gibt es noch Werner Linnenbrink, der bislang unter seinen Möglichkeiten geblieben ist. Er hatte zu viel Respekt vor der Liga und hat den Respekt zu spät abgelegt. Wenn Werner zu seinem alten Selbstvertrauen findet, wird auch er in der Oberliga noch seine Tore machen.

Weil auch die Nachholpartie gegen Schermbeck abgesagt werden musste, war die 0:4-Niederlage bei LR Ahlen II das letzte Pflichtspiel dieses Jahres. Wie unangenehm ist es, mit einem solchen Negativ-Erlebnis und auf einem Abstiegsplatz stehend in die Winterpause zu gehen?Roger Schmidt: Das ist genau das, was wir nicht wollten. In den nächsten acht Wochen wird sich an diesem Bild leider nichts ändern. Aber vielleicht sorgt dieser unbefriedigende Anblick ja dafür, dass sich bei unseren Spielern eine gehörige Portion Wut aufstaut und sie im neuen Jahr unbedingt unter Beweis stellen wollen, dass sie in der ersten Saisonhälfte unter Wert geschlagen worden sind.

Was spricht dafür, dass der Delbrücker SC die Abstiegsplätze in den verbleibenden 17 Saisonspielen wieder verlässt und ein Oberligist bleibt?Roger Schmidt: Die Mannschaft hat vor allem im taktischen Bereich einen ganz großen Schritt nach vorne gemacht. Aber jeder Spieler ist in der Lage, im weiteren Saisonverlauf noch mehrere Prozentpunkte draufzulegen. Dessen bin ich mir sicher und daher genießen diese Spieler mein vollstes Vertrauen. Wir werden in der Winterpause nicht ohne Grund auf Aktionismus verzichten. Nur vier Neue zu holen, um nach Außen zu dokumentieren, dass sich bei uns was tut, wäre aus meiner Sicht auch der völlig falsche Weg gewesen. Wir stellen uns der großen Herausforderung, die Klasse mit diesem Kader zu erhalten. In Person von Raffaele Wiebusch haben wir nur - auch im Vorgriff auf die nächste Saison - eine ganz gezielte Verstärkung getätigt. Ich denke, dass man die aktuelle Situation mit der im vergangenen Winter vergleichen kann. Auch damals waren wir nicht zufrieden, haben die Ruhe bewahrt, uns auf die eigenen Stärken konzentriert und unser Ziel am Ende erreicht.

In der Fairnesstabelle steht Delbrück mit lediglich einer Gelb-Roten Karte auf Rang eins. Ist das nur lobenswert oder ist Ihre Mannschaft für den Kampf um den Klassenerhalt zu brav?Roger Schmidt: Es ist schon richtig, dass die Jungs teilweise ein bisschen aggressiver in die Zweikämpfe und in puncto Körpersprache mehr aus sich heraus gehen könnten. Da haben uns die Gegner doch hin und wieder den Schneid abgekauft. Aber auch das ist ein Entwicklungsprozess, der gerade bei den jungen und vielen Spielern ohne Oberliga-Erfahrung in unserer Mannschaft viel Zeit in Anspruch nimmt.

Artikel vom 23.12.2005