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Der kleine
Riese auf der
linken Bahn

De Graef Spieler der Hinrunde

Von Peter Klute
Paderborn (WB). 26 Punkte aus 17 Spielen, Platz acht, bester Aufsteiger in der 2. Liga. Zahlen, die eindrucksvoll beweisen, dass das Kollektiv SC Paderborn 07 bestens funktioniert. Die Verbliebenen haben sich gesteigert, die Neuen sind fast alle Volltreffer. Natürlich sticht Marcel Ndjeng als erfolgreichster Torschütze (sieben Treffer) hervor, für das WESTFALEN-BLATT ist aber ein anderer der Spieler der Hinrunde: Linksverteidiger Garry de Graef.

Guido Spork hatte es schon im Lauftrainingslager in Herzlake geahnt: »An dem kommt keiner vorbei.« Gemeint war der Neue vom holländischen Ehrendivisonär De Graafschap. Jos Luhukay war bereits bei der Verpflichtung klar, dass der kleine Belgier (1,71 Meter) ein Riese ist. Seine bisherigen Leistungen, die er mit dem überragenden Auftritt beim 2:0 am Montagabend gegen den Karlsruher SC krönte, kommen für den Trainer daher nicht überraschend: »Ich kenne Garry seit einigen Jahren, er hat meinen Eindruck nur bestätigt. Das ist ein großartiger linker Verteidiger und es spricht für ihn, dass seine direkten Gegenspieler häufig ausgewechselt wurden. Nicht nur seine zweite Hälfte gegen Karlsruhe war fantastisch und ich freue mich, dass er bei uns gelandet ist.«
Beinahe beängstigend ballsicher, pfeilschnell, kampfstark, ein enormes Laufpensum: Diese Tugenden zeichnen de Graef aus, machen ihn unglaublich effektiv. Herausragend bei seinen 16 Einsätzen über jeweils 90 Minuten ist seine Konstanz. Seine Durchschnittsnote von 2,4 ist die beste aller Paderborner. Nur zweimal (beim Saisonauftakt in Unterhaching und in Rostock, als er das frühe 0:1 mit einer zu kurzen Rückgabe auf Torwart Lukas Kruse mitverschuldete) bekam der 31-Jährige die WB-Note »ausreichend«, viermal spielte er »befriedigend«, siebenmal »gut« und dreimal »sehr gut«.
So wie gegen Karlsruhe, als de Graef der beste Mann war. Vor allem in vier Szenen verdiente er sich das Prädikat erstliga-reif: Als er sich an der Außenlinie spielerisch von zwei Gegenspielern befreite, das 2:0 von Ndjeng nach einem Doppelpass mit René Müller wie aus dem Lehrbuch vorbereitete, dem Kapitän fast das 3:0 auflegte und in der Endphase dem gerade eingewechselten KSCer Sebastian Freis den Ball ablief. »Ich weiß nicht, wo er das läuferische Potenzial und die Kraft hernimmt. Das 2:0 hat er sensationell eingeleitet. Er erkämpft den Ball in der eigenen Hälfte, taucht Sekunden später im gegnerischen Strafraum auf und hat dann noch die Übersicht, seinen besser postierten Mitspieler zu bedienen«, geriet selbst der sonst so nüchterne Luhukay geradezu ins Schwärmen.
Der Gelobte selbst ist bescheiden: »Ich bin zufrieden mit mir, habe aber auch Fehler gemacht, die in der Rückrunde nicht mehr passieren dürfen.« Er lebt das vor, was der Trainer vorgibt: Der Einzelne ist wenig, die Mannschaft alles. So steht auch für de Graef, der selbst einmal traf (zum 5:0-Endstand gegen Saarbrücken), der Erfolg des Teams über allem: »Wir haben sechs oder sieben Punkte zu wenig, aber 26 sind eine gute Bilanz. Für uns war der Sieg gegen Karlsruhe nach drei Niederlagen in Folge besonders wichtig, um in der Winterpause Ruhe zu haben. Wenn wir die Saison auch als Achter beenden, haben wir gut gearbeitet.«
Der SC Paderborn 07 und die 2. Bundesliga, für den Familienvater waren das vor der Saison zwei große Unbekannte. Wie er selbst in Deutschland. Das hat sich in beiderlei Hinsicht grundlegend geändert. Dass dem Belgier nach zwölf Jahren in Holland die Eingewöhnung so gut gelungen ist, hat für ihn zwei Gründe: »Der Trainer gibt uns Vertrauen und wenn dann die Integration der vielen neuen Spieler so gut klappt, dann bedeutet das Spaß auf dem Platz.« Dort hat er nur einmal gefehlt. Gegen Offenbach musste de Graef pausieren, weil er sich bei einem Badeunfall eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Rutschen ist seitdem tabu, aber es soll auch in Zukunft ohnehin nach oben gehen.

Artikel vom 21.12.2005