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»Marienverehrer« überfällt Juwelier

Drei Jahre Haft für psychisch kranken Räuber

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Stimmen haben ihm angeblich die Tat befohlen: Um zu verhindern, dass ein wertvolles Marienbildnis in falsche Hände gerät, hat ein psychisch kranker Moslem einen Paderborner Juwelier überfallen.

Die Tat geschah Anfang Mai und erregte in Paderborn großes Aufsehen. Gestern verurteilte das Landgericht Nasser A. wegen schweren Raubes zu drei Jahren Haft. Zudem verfügte Richter Stefan Schäfer eine Einweisung des Akademikers in die Psychiatrie. Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen 47-jährigen Asylbewerber aus dem Iran, der nach eigener Aussage vor seiner politisch bedingten Flucht im Verteidigungsministerium in Teheran gearbeitet hat.
»Da war dieses Bild, es hat mich fasziniert«, sagte Nasser A. im Prozess. Er habe sich »mit Gewalt mit dem Juwelier anfreunden« wollen. »Er sollte das Bild nicht verkaufen und warten, bis ich genügend Geld habe.« 16 700 Euro verlangt der Goldschmied für die Ikone. Auf die Frage seines Verteidigers Dieter Cramer, wie es denn komme, dass ein Nichtchrist eine derart innige Beziehung zu einem Marienbild habe, antwortete der Iraner: »Ich bin zwar Moslem, aber es ist trotzdem möglich, dass ich ein Bild von George Bush mag«.
Ein Psychiaterin bescheinigte dem Mann eine Schizophrenie, die zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit führe. »Er ist wahnhaft auf das Marienbild fixiert.«
Bei seinem ersten Besuch in dem Juweliergeschäft am Königsplatz ließ sich Nasser A. einen 3800 Euro teuren Brillantring zurücklegen. Mit einer Pistole bewaffnet, kam er wenige Tage später zurück. »Ich war starr vor Angst«, schilderte Goldschmiedemeister Iskender D. (49) seine Empfindungen. »Der ist in den Laden gekommen, um mich zu erschießen.«
Von dem Madonnenbild sei nie die Rede gewesen, aber nach dem Überfall habe der Ring gefehlt.
Als Iskender D. laut um Hilfe rief, schlug der Räuber ihm ins Gesicht und flüchtete. Das Opfer verlor einen Zahn und zog sich eine Platzwunde zu, die mit vier Stichen genäht werden musste. Trotz seiner Verletzungen verfolgte der Juwelier den Täter und feuerte in der belebten Marienstraße einen Schuss ab. »Nur ein Warnschuss«, gab er anschließend bei der Polizei zur Protokoll. Er sei von dem Angeklagten mit einer «echten 45er mit Schalldämpfer« bedroht worden. Als Nasser A. zwei Wochen später verhaftet wurde, fand die Kripo bei ihm lediglich eine Spielzeugpistole, der Schalldämpfer war ein Stück Wasserschlauch.
Gegen den Geschäftsmann läuft nach Angaben von Staatsanwalt Dietmar Sauerland noch ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er war vor Jahren schon einmal überfallen worden und hatte damals einem der Täter ins Bein geschossen.
Nasser A. hatte sich nach dem Raubüberfall freiwillig in psychiatrische Behandlung begeben. In der Klinik wurde er festgenommen. Aufgrund der Täterbeschreibung hatte sich ein Polizeibeamter an den Asylbewerber, der in der Haller Straße wohnte, erinnert.

Artikel vom 20.12.2005