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Bitte Platz nehmen: Verkäuferin Janine Baße zeigt die letzten Stühle des Filmstudios, die gerettet werden konnten.

Charme der 50-er Jahre auf
Schritt und Tritt spürbar

Markantes Gebäude in der Innenstadt mit nostalgischem Flair

Von Curd Paetzke (Text und Fotos)
Herford (HK). Es ist eines der markantesten Gebäude in der Herforder Innenstadt - und es versprüht, obwohl schon in den 1950-er Jahren erbaut, noch immer einen ganz besonderen Charme. Das ehemalige »Filmstudio« im Gehrenberg ist nach einem lange währenden Dornröschenschlaf von Investoren wach geküsst worden.

Wo früher die neuesten Kinostreifen über die Leinwand flimmerten, wird heute Mode verkauft (»basic«), kann man sich die Haare schneiden lassen (»coiffeur 2000«) oder im Erdgeschoss eine Tasse frisch aufgebrühten Kaffee trinken (»basic Café«). Dass die Wände dabei quasi mit jedem Backstein (die nicht verputzt wurden, sondern frei liegen) pure Herforder Geschichte atmen, ist nur den wenigsten bewusst. Denn: Das mehrgeschossige Haus mit der großen Glasfassade und den seitlichen Verstrebungen gilt als Beispiel für die typische Architektur jener Epoche. Ähnlich wie am Verwaltungsbau der früheren Teppichfabrik Huchzermeyer am Oetinghauser Weg und am Rühlschen Gebäudekomplex an der Bünder Straße verfügt das »Filmstudio« als Besonderheit über einen umglasten Treppenaufgang an der Rückseite. Hier befand sich damals der Eingangsbereich des Filmtheaters. Bereits 1987 hatte der Beirat für Stadtbildpflege das »Studio« als schützenswertes Kulturdenkmal eingestuft. 1991 wurde das Kino in die Denkmalliste eingetragen. Da hatte aber längst der Filmriss das zentral gelegene Lichtspielhaus ereilt. Ein Schicksal, das das »Filmstudio« mit den »Weltlichtspielen« in der Bruchstraße (heute Grün-Gold-Haus) und (später) auch mit dem »Wittekind« teilt. Seither stemmt sich nur das »Capitol« wie eine Trutzburg gegen die großen Kinopaläste im Umkreis.
Dennoch: Wer mit wachen Augen durch das Gebäude im Gehrenberg schlendert, der entdeckt noch so manche Erinnerung an vergangene (Film-) Tage, der spürt den (späten) Charme der 50-er auf Schritt und Tritt. Da sind in einem »basic«-Aufenthaltsraum beispielsweise die Deckenlampen und die Holzverkleidung - im Originalzustand. »Hier durfte beim Umbau auch nichts verändert werden«, berichtet »basic«-Verkäuferin Janine Baße, die noch weitere Besonderheiten zeigt: die beiden »Bauer«-Filmprojektoren, die heute als Schaufensterdekoration dienen und die wohl letzten beiden verbliebenen Filmtheatersessel, die sich im Kellergeschoss des Cafés befinden und ihren Ruheplatz vor den Toiletten gefunden haben.
Im Obergeschoss hat Reinhard Siegert das Friseurstudio »coiffeur 2000« eröffnet, das von Domenico Fava geleitet wird. Der schwärmt wie die Mitarbeiterinnen Muhterem Göcmen, Nora Ediger und Betty Schomburg von dem einmaligen Flair des Hauses: »Eine solche Atmosphäre gibt es sonst nur in internationalen Großstädten - wir haben hier ein Stück New York nach Herford geholt.« 120 Quadratmeter groß ist allein das Friseurgeschäft (mit Wellnessbereich an der Stelle, wo der Filmvorführer die Rollen in die Projektoren einlegte).
Einen besonderen Schatz hütet Holger Koch, der in dem Gebäude ein Uhren- und Schmuckfachgeschäft führt: Er ist der »Herr« über den ehemaligen Eingang des Kinos, den er als Lagerraum nutzt.
Auf dem Treppenaufgang, der seitlich von einer umglasten Fassade umgeben ist, haben sich früher die Kinobesucher gedrängt, die im »Filmstudio« ein paar vergnügliche oder spannende Stunden verbringen wollten.

Artikel vom 20.12.2005