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»Mr. Sozialamt« nimmt Abschied

Hans-Werner Abke geht nach 44 Dienstjahren bei der Stadt in den Vorruhestand

Von Per Lütje (Text und Foto)
Löhne (LZ). Der wohl dienstälteste Sozialamtsmitarbeiter Ostwestfalen-Lippes sagt »Auf Wiedersehen«. »Es ist genau der richtige Zeitpunkt«, sagt Hans-Werner Abke, der im Gespräch mit der LÖHNER ZEITUNG noch einmal auf seine 44 Berufsjahre in der Stadtverwaltung zurückblickt.

»Eigentlich wollte ich ja zur Bundesbahn. Aber für die war ich mit 15 noch zu jung«, erinnert sich Abke. Ein Jahr später dann sei ihm in seinem Traumberuf nur ein befristeter Vertrag angeboten worden - zu unsicher für Abke, der deshalb sein Glück bei der Stadt versuchte. Am 1. April 1961 heuerte der verhinderte Lokomotivführer in der Verwaltung an, und bereits am ersten Tag kreuzten sich dort die Wege von Hans-Werner Abke und dem heutigen Bürgermeister Kurt Quernheim. »Er hatte gerade seine Lehre beendet und führte mich sozusagen in die Geheimnisse der Stadtverwaltung ein«, erinnert sich der 61-Jährige.
Nach dem beruflichen Auftakt im Amt für Wohnungsbauförderung und einem eineinhalbjährigen Bundeswehrdienst bei der Luftwaffe in Osnabrück als Horchfunker (Abke: »Eine tolle Zeit«) folgte nach bestandenem Inspektorenlehrgang die zweite Station in der Behörde. Und das Sozialamt sollte auch seine letzte sein. »Es gab natürlich Zeiten, in denen ich woanders arbeiten wollte«, gesteht Abke ein. Denn es sei nicht immer ein Zuckerschlecken gewesen. »Meine, ich sag mal besondere Gabe, ist jedoch, die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen. Wenn ich das Büro verlasse, ist alles vergessen.«
Diese Gabe, das Schicksal anderer Menschen nicht zu nah an sich herankommen zu lassen, ist nicht allen gegeben: »Es gab Mitarbeiter, die in Tränen aufgelöst waren, und hier nicht mehr arbeiten konnten. Es ist nicht leicht, wenn man mit Menschen zu tun hat, die ihr Innerstes nach außen kehren müssen und vor uns ihre Taschen leeren müssen.«
Nur einmal ist es Hans-Werner Abke in seinen 35 Jahren beim Sozialamt nicht gelungen, die Distanz zu wahren. Allerdings unfreiwillig. »Vor ein paar Jahren hat mich ein junger Mann in meinem Büro K.O. geschlagen.« Seitdem sind alle Mitarbeiter im Sozialamt mit einem Gerät ausgerüstet, das im Ernstfall einen schrillen Alarmton auslöst. Dies sollte jedoch die einzige schmerzliche Begegnung mit einem Sozialhilfeempfänger bleiben. Entsprechend überwiegen beim Löhner auch die positiven Erinnerungen. »Es gibt hier und da den Missbrauch von Sozialleistungen. Der weit überwiegende Teil der Leute ist jedoch ehrlich. Sie brauchen Hilfe und sind dankbar, dass es Hilfe gibt.«
Noch unter Bürgermeister Werner Hamel hat Abke Nägel mit Köpfen gemacht und die Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestandes mit entsprechenden Lohnabstrichen in Anspruch genommen. »Ich bereue dies nicht«, betont er, zumal die Gestaltungsmöglichkeiten eines Sozialamtsleiters seit diesem Jahr stark begrenzt wurden. »Mit der Einführung von Hartz IV kümmern wir uns ausschließlich um jene Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zu vermitteln sind.« Sorgen bereite dem 61-Jährigen auch die drohende Haushaltssicherung. »Dann werden freiwillige Leistungen der Stadt wie die 25 Euro Weihnachtsgeld für Altenheimbewohner sicherlich der Vergangenheit angehören.«
Der Zukunft blickt der Vater einer 27-jährigen Tochter mit Freude entgegen. Er und seine Frau Christa, mit der er seit 1970 verheiratet ist, wollen erstmal verreisen. »Und meiner Musik werde ich mich intensiver widmen«, sagt Hans-Werner Abke. Vor zehn Jahren entdeckte er seine musikalische Ader, kaufte sich ein Keyboard und brachte sich selbst das Spielen bei. Unter dem Künstlernamen »HW No. 1« sorgt der 61-Jährige auf Feiern - vornehmlich für Senioren - für gute Stimmung. »Ich glaube, dass ich da eine Marktlücke entdeckt habe.«
Am Donnerstag nächster Woche schließt Hans-Werner Abke zum letzten Mal seine Bürotür hinter sich zu. Seine letzte Amtshandlung wird am Nachmittag der Besuch der Weihnachtsfeier im St.-Laurentius-Heim sein. Gemeinsam mit Kurt Quernheim. So schließt sich der Kreis.

Artikel vom 17.12.2005