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Chopin mit einer Dosis Melancholie gespielt

Viel Beifall für die Pianistin Inga Kazantseva


Paderborn (WV). Die bekannte Konzertpianistin Inga Kazantseva gestaltete am Dienstag einen Soloabend mit einem weit gesteckten Programm im Dietrich-Bonhoeffer-Haus des St. Johannisstifts Paderborn. Sie begann, auf Wunsch der Hausleiterin Marianne Palm, mit Beethovens Rondo a capriccio opus 129 (»Die Wut über den verlorenen Groschen«). Das Stück verleitet viele Interpreten, der Virtuosität und damit dem Tempo den Vorrang zu geben - zu Lasten der Transparenz gerade bei den harmonischen Sprüngen und Überleitungen. Nicht so Inga Kazantseva: Sie besann sich auf das Manuskript und betonte das Kapriziöse, das Launenhaft-Musikalische.
Drei Stücke aus Tschaikowskis opus 37 (»Die Jahreszeiten«) trafen so recht den Geschmack des Publikums. Diese Schumann nachempfundenen Stücke spiegeln die bürgerliche Atmosphäre des 19. Jahrhunderts wider. Mozarts B-Dur-Sonate (KV 570) zählt zu den Wiener Sonaten und entbehrt fast allen pianistischen Schmucks. Vielleicht steht sie deshalb seltener auf dem Programmzettel. Diese Schlichtheit zu erfassen und interpretatorisch umzusetzen, gelang der Pianistin hervorragend.
Chopins »Nocturnes« erklingen oft zu schwärmerisch, zu »dolcezza«. Zugegeben: Dem Zuhörer fällt es bei dieser Kompositionsgattung schwer, nicht sentimental zu werden - wozu Frédéric Chopin immer leicht verleitet. Kazantseva gelang die Wiedergabe mit der richtigen Dosis Melancholie.
Von ihrem russischen Landsmann Rachmaninow bot die Pianistin die unter den Werkzahlen 23 und 32 editierten Preludes. Sie bestechen durch ihre berauschende Klangfülle. Die überzeugend vorgetragene Wiedergabe bildete den bravourösen Abschluss des Abends. Fazit: Wieder ein kulturelles Ereignis im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, das das Auditorium begeisterte, sowohl wegen der Programmauswahl als auch hinsichtlich der souveränen Beherrschung des Instruments.

Artikel vom 16.12.2005