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So sieht der Siddinghäuser Kirchturm heute aus. Das Dach ist spitzer und der Turm höher geworden.

Turmgeschichten von nassem Pferdemist und
einem unschönen Helm

Siddinghäuser Kirchturm vor 100 Jahren renoviert

Von Marion Neesen
Siddinghausen (WV). Wenn die Siddinghäuser dieser Tage in ihre Kirche gehen, dann werden sie vermutlich achtlos am Kirchturm der St. Johannes Baptist Pfarrkirche vorbeieilen. Allzu sehr haben sie sich an den Anblick des imposanten Turmes gewöhnt. Doch der sah nicht immer so aus wie heute. Genau gesagt: Seine jetzige Höhe und das spitz zulaufende Dach hat der Siddinghäuser Kirchturm seit nunmehr 100 Jahren.

Die Kirche im Almedorf Siddinghausen ist eine der ältesten im Kreis Paderborn. »Ein hölzernes Kirchlein« ließ der Edelherr Sidag vermutlich bereits im achten Jahrhundert in Siddinghausen erbauen. Quellen besagen, dass im Jahre »...799 Papst Leo III. in Anwesenheit des erhabenen Fürsten Kaiser Karls des Großen die Pfarrkirche in Siddinghausen an einem schrecklichen und öden Platz in der Einsamkeit errichtet...« hat. Ein weiterer Hinweis lässt darauf schließen, dass die Kirche breits 789 erbaut worden ist.
Die Nachfolger Sidags bauten die steinerne Kirche, die von Bischof Luithard von Paderborn (862-887) geweiht wurde. In den Jahren 1723-1727 wurde die jetzige Pfarrkirche im barocken Stil erbaut. Das wohl älteste Bauelement der ansonsten einheitlichen barocken Kirche ist der Turm, dessen unterer Bereich vermutlich noch aus dem 12. Jahrhundert stammt. Doch der Turm hat eine wechselvolle Geschichte.
So hätte es im April 1814 mit der gesamten Siddinghäuser Kirche beinahe ein Ende gehabt, wären da nicht napoleonische Soldaten im Dorf gewesen. Eine Feuersbrunst zerstörte zu jener Zeit einen Großteil des Dorfes und verschonte auch die Kirche nicht. Der Kirchturm brannte schon lichterloh, als die Soldaten zu nassem Pferdedung griffen und die Türen zum brennenden Turm damit abdichteten, so dass das Kirchenschiff erhalten blieb.
Der Legende nach hat die Heilige Agatha schließlich die Dorfbewohner gerettet. Denn die Singsener trugen ihre Statue betend durch den brennenden Ort.
Nach dem Brand musste der Turm etwa fünf Meter abgetragen werden und bekam dann einen etwas unförmigen Helm -Êbis sich schließlich im Jahre 1905 der Diözesanbaumeister Franz Mündelein aus Paderborn seiner annahm.
Pastor Ferdinand Lümmer (*1832  1909) schrieb im November 1901 an das Generalvikariat, der etwa 600 Jahre alte Turm sei an der Westseite stark ausgewittert und mache deshalb einen schlechten Eindruck. Baufällig sei er aber keineswegs. Daraufhin kam der Stein ins Rollen. Die Baugenehmigung erteilte der Regierungspräsident aber erst im März 1904, die Reparatur wurde im Mai 1904 vom Generalvikariat genehmigt.
Und so war es dann im Jahre 1905 endgültig vorbei mit dem gedrungenen Turm und seinem unförmigen Dach. Zunächst ließ der Diözesanbaumeister das Bauwerk wieder um ganze vier Meter wachsen. Dann versah Mündelein den Kirchturm mit einem Rautendach und ließ dieses mit Schiefer decken. Die Kosten für die Maßnahmen betrugen damals rund 8000 Mark und mussten von der Kirchengemeinde aufgebracht werden. Die Siddinghäuser trugen Dreifünftel, die Gläubigen aus dem Nachbarort Weine Zweifünftel.
Womöglich müssen die Siddinghäuser und Weiner im 101. Jahr des renovierten Kirchturmes schon wieder tief in die Tasche greifen. Denn an der Westseite bröckelt schon wieder der Putz, obwohl der Turm erst 2003/2004 renoviert worden war. Derzeit werden Gespräche geführt, wie der Schaden zu reparieren und zu finanzieren ist.
Nachzulesen ist die wechselvolle Geschichte des Siddinghäuser Kirchturms und der Pfarrkirche auch im Heimatbuch, das im Jahre 2000 von Alexander Kessler herausgegeben wurde.
Und vielleicht hebt so mancher Siddinghäuser bei seinem nächsten Kirchbesuch dann doch den Blick, bevor er die altehrwürdige Pfarrkirche betritt.

Artikel vom 28.12.2005