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»Stück aus Herzen gerissen«

Vorsitzender löst Löhner Vertriebenenbund nach 56 Jahren auf

Von Per Lütje (Text und Foto)
Löhne (LZ). Günter Berg kann die Tränen kaum unterdrücken. Zu tief sitzt der Schmerz, dass er den Löhner Stadtverband des Bundes der Vertriebenen im 57. Jahr seines Bestehens auflösen musste. 23 Jahre war er dort Vorsitzender. Und vor ihm sein Vater Rudolf, dem er auf dem Sterbebett versprochen hatte, »die Vertriebenen nicht im Stich zu lassen«.

»Für mich war dieser Entschluss sehr schwer. Es ist, als würde mir ein Stück aus dem Herz gerissen.« Das klingt pathetisch. Aber diejenigen, die Günter Berg kennen, wissen, dass er sich mit Leib und Seele für den Verein eingesetzt hat. Trotz einer schwerer Erkrankung im Jahr 2001, von der er sich weitgehend erholt hat, leitete er die Geschicke des Vertriebenbundes auch in dieser Zeit weiter. »Es wollte ja kein anderer machen«, sagt der 70-Jährige, in dessen Worten ein wenig Verbitterung mitklingt.
Schlesier, Ostpreußen oder Sudetendeutsche - sie alle fanden im Vertriebenenbund ein Stückchen ihrer alten Heimat wieder. »Unsere Veranstaltungen waren aber nicht nur für Vertriebene. Mein Anspruch war es immer, eine Brücke zu den Einheimischen zu schlagen«, sagt Günter Berg, dessen Familie aus Königsberg stammt. Junge Leute seien sie damals gewesen, als 1950 der Löhner Stadtverband gegründet wurde. »Die Mitglieder sind mit dem Verein alt geworden. Viele konnten aus gesundheitlichen zuletzt nicht mehr an den Versammlungen teilnehmen«, schildert Franziska Berg.
30 Mitglieder zählte der Vertriebenenbund im Jahr seiner Auflösung. Und weil eben einige nicht mehr zu den Treffen kommen konnte, pflegte Günter Berg den Kontakt mit regelmäßigen Besuchen. »Diesen älteren Menschen waren solche Gespräche sehr wichtig.« Genauso wie für den Vorsitzenden: »Ich fand es immer schön, die verschiedenen Dialekte zu hören.«
Schon einmal, nämlich 2001, stand der Löhner Stadtverband vor dem Aus. »Seinerzeit wurde der Kreisverband Herford aufgelöst, und es gab Pläne, die Ortsverbände gleich mit aufzulösen«, erinnert sich der 70-Jährige. Daraufhin hätten ihn viele Briefe von Mitgliedern erreicht mit der Bitte, den Vertriebenenbund am Leben zu halten. »Das hat mich sehr motiviert, weiter zu machen.« Ebenso war auch die Verleihung der Ernst-Moritz-Arndt-Plakette für ihn und seine Frau - die höchste Auszeichnung, die der Verband zu vergeben hat - im Jahr 2000 Ansporn und Verpflichtung, das Erbe des Vaters fortzuführen.
Diesmal aber ist das Ende des Löhner Vereins unumstößlich. »Es kann einem noch so leid tun. Aber es nutzt ja nichts. Schließlich werden die Mitglieder nicht jünger, und es gibt keinen Nachwuchs«, hat sich Franziska Berg - ebenfalls schweren Herzens - mit dieser Tatsache abgefunden.
Der letzte Vorhang für den Löhner Vertriebenenbund fiel am 27. November mit der Adventsfeier im Becker Krug, die zugleich Abschiedsfeier war. Doch trotz der Auflösung soll es nochmal ein Wiedersehen geben. Für das Frühjahr plant Günter Berg ein Treffen, auf dem er einen Videofilm mit einigen Stationen der Vereinsgeschichte zeigen möchte.

Artikel vom 14.12.2005