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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (150. Folge):Was nicht im Domführer steht


D er Paderborner Dom ist als touristisches Ziel Spitze in Ostwestfalen-Lippe. Es gibt gute Domführer für Besuchergruppen und manche Anleitung für den Rundgang im Dom. Neu ist ein Bildband von Prof. Dr. theol. Margarete Niggemeyer mit dem Titel »Auf Erden den Himmel bauen«. Seit 1993 verfasst die Autorin die Texte in den Begleitheften der Liborifestwoche. Ihre meditativen Darlegungen fanden nun gesammelt Aufnahme im »Lesebuch zu den Bildern zum Paderborner Dom«.
In diesem Jahr stand Libori unter dem Leitwort »Eucharistie«. Erzbischof Hans Josef Becker begründete diese Wahl mit dem Wunsch des verstorbenen Papstes Johannes Paul II., die Eucharistiefeier in den Mittelpunkt katholischen Lebens zu stellen. Dompropst Dr. Wilhelm Hentze in seiner Einladung zum lesen- und betrachtenswerten neuen Dom-Buch: »Der Titel verrät etwas von der Sehnsucht der Menschen, die im Abbild ihrer sakralen Bauten den Himmel als das himmlische Jerusalem in ihre Mitte holen wollen«.
Mit ausgezeichneten Fotos des Diplom-Designers Ansgar Hoffmann und einprägsamen Texten geleitet die Autorin durchs Paradiesportal ins Innere der Bischofskirche aus der Zeit Meinwerks (1015), den »Dom der Bewegung, wo tragende Säulen den Himmel erden« (»Auf Erden den Himmel bauen«, Margarete Niggemeier, Bonifatius-Verlag).
Auf »Kobolde im Dom« hat schon 1991 Weihbischof und Dompropst Hans Leo Drewes mit einer Broschüre aufmerksam gemacht. Kleine Skulptürchen, die Drewes mit »Drolligkeiten« übersetzte, gibt es zur Genüge im Außenbereich und Innern des Domes. Mit dem Fernglas und helfenden Hinweisen durch Dompropst Drewes und Prof. Niggemeyer entdeckt der Besucher viele Dutzend allegorische Figuren in Nachbarschaft der Darstellung von Heiligen. So im Hasenkamp einen Fußballspieler oder Apfeldieb, im südlichen Querschiff einen jungen Karnevalisten mit einem Schaf, das an seiner Zipfelmütze zerrt, tanzende Fantasievögel, Ring-Beißer und einen Bettler.
Drollige Tiere auch im Haupteingang, dem Paradiesportal (1275). Ein Graurock streicht die Fiedel, ein Schwein stößt ins Horn, Fuchs und Storch streiten um einen Knochen. Prof. A. Fuchs hat die Halle vor dem Haupteingang zum Dom als das »größte, prächtigste romanische Kirchenportal in Westfalen« bezeichnet. Nicht zu übersehen sind hier die großen Figuren Madonna mit dem Kind, die Heiligen Liborius, Kilian und Julian sowie die Apostel Petrus und Paulus.
In der Nähe des Eingangs zum Kapitelsfriedhof mit dem Drei-Hasen-Fenster ist der steinerne Kopf vom »schreienden Mann« zu sehen. Er erinnert an ein Einsturzunglück, das sich im 13. Jahrhundert beim Dombau ereignete. Der steinerne Kopf wurde als Abschluss dem Gewölbe eines Seitenschiffes im Langhaus eingefügt. Als am 17. Januar 1945 eine Fliegerbombe den Dom traf, stürzte der Kopf aus der Höhe in die Schuttmassen. Er wurde dann im Gang zum Kapitelsfriedhof angebracht.
Hier kann er den Eindruck erwecken, ihm sei eine zu schwere Bürde auferlegt worden. Der aufgerissene Mund des Steinkopfes wird aber auch zum Auffinden der Wahrheit benutzt. Man hält die Hand in den steinernen Mund. Wenn der sich nicht schließt, wurde die Wahrheit gesagt. Seit über 50 Jahren hat der Steinmund aber nicht mehr zugeschnappt......
Die Paderborner, hat Annette von Droste-Hülshoff festgehalten, sind ein »fantasiereiches Völkchen«. Das neue Dom-Buch wird uns viele Fabelwesen erschließen, die in keinem Kunstführer zu finden sind!Georg Vockel

Artikel vom 14.12.2005