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Schlitze für Glockenklang

Horst Dreier öffnet Tür zum Turm der St.-Ursula-Kirche

Von Matthias Kleemann
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Unterm Leuchtturm ist Schatten, lautet ein Sprichwort. Im Glockenturm ist es dunkel, könnte man es ergänzen, zumindest im Glockenturm der St.-Ursula-Kirche. Zwar gibt es zahllose Öffnungen nach draußen, doch die Lamellen der Schallschlitze, die man auch von draußen sieht, sind so geschickt angeordnet, dass zwar der Klang der Glocken zielgerichtet über den Ort geleitet wird, Licht von draußen aber kaum eindringt.

Vier Glocken hängen in dem Turm, eine größere und vier kleinere, wenn sie läuten, sollte man tunlichst nicht direkt daneben stehen. Die Erfahrung hat auch schon Horst Dreier (68) vom Kirchenvorstand gemacht. Er schaut immer auf die Uhr, bevor er in den Turm steigt. Der gelernte Werkzeugmacher und ehemalige Industriemeister ist für die technischen Einrichtungen in der St.-Ursula-Kirche zuständig, einen richtigen Küster hat die Gemeinde nicht. Regelmäßig schaut er nach, ob alles in Ordnung ist. Kürzlich erst war eine Brandschau in der Kirche. Es gab keine Beanstandungen, lediglich auf der Orgelbühne gibt es jetzt einen Feuerlöscher für alle Fälle.
47 Steinstufen und 47 Holzstufen muss man erklimmen, bis man im Glockenstuhl steht. Es geht noch weiter hoch, aber die steile Leiter hat Horst Dreier noch nicht bestiegen und auf dem Boden über den Glocken gibt es wohl auch nichts Interessantes zu sehen. Jede Glocke hat einen eigenen Klang und wird von einem eigenen Motor angetrieben. Zusätzlich zum Klöppel gibt es bei der großen Glocke einen Hammer, der die halben und die vollen Stunden schlägt. Dieser Hammer wird direkt vom Uhrwerk gesteuert, das eine Etage tiefer steht.
Nicht immer ging das Glocken läuten automatisch. Horst Dreier selbst hat als junger Mensch gemeinsam mit anderen noch regelmäßig die Glocken von St. Ursula geläutet. Der gebürtige Schloß Holter kam sogar ganz in der Nähe der Kirche zur Welt. Dreimal sonntags und einmal jeden Werktag riefen die Glocken in den 40-er und 50-Jahren zur Messe. Dreier kann heute noch die Löcher in den Böden des Turms zeigen, durch die die Seile liefen. Im Krieg schwiegen die Glocken lange, sie wurden ausgebaut und für die Waffenproduktion eingeschmolzen. 1949 bekam die Kirche neue Glocken und 1955 wurde dann ein elektrisches Läutwerk eingebaut.
Eine Etage unter dem Glockenstuhl ist es ein wenig heller. Drei schmale Fenster gewähren Ausblick nach Süden, Norden und Westen, aber nur, wenn man schmal genug ist sich durch die Lücke hindurch zu zwängen. Denn eigentlich haben die Fenster nur einen Zweck: Durch sie hindurch werden an den hohen kirchlichen Festen drei Fahnenstangen geschoben und in einem speziellen Gestell befestigt.
Auch das Uhrwerk befindet sich auf dieser Etage. Es geht - dank sorgfältiger Wartung - sehr genau. In der ersten Etage, in Höhe des Durchgangs zum Dachboden, steht Inventar, das bei der letzten Renovierung ausrangiert wurde, vier Gipsskulpturen: Eine Pieta, eine Immaculata, ein Christus und ein Joseph mit dem jugendlichen Christus, außerdem mehrere Kerzenhalter. »Die vielen Kerzen haben zu viel Ruß verursacht«, erinnert sich Horst Dreier.

Artikel vom 14.12.2005