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»Kenne einige Flugpläne auswendig«

Tennis-Profi Christine Sperling (TC BW Halle) nach Premieren-Jahr schon 513. in der Welt

Von Uwe Caspar
Halle (WB). Mutig, mutig: Als 16-Jährige verließ Christine Sperling das Städtische Gymnasium mit der Mittleren Reife, um in die große weite Welt zu ziehen. Bis jetzt hat das Tennis-Talent diese Entscheidung nicht bereut: Schon nach ihrer ersten Profi-Saison sprang die 17-Jährige in der Weltrangliste von 0 auf Platz 513. »Ein toller Erfolg für mich«, freut sich Christine, die dem Breakpoint-Team angehört und für den Zweitligisten Blau-Weiß Halle aufschlägt.

Tennis-Profi - das klingt für Außenstehende nach viel Geld verdienen ... Christine Sperling (lächelnd): Das gilt nur für die Besten der Welt, also ab Rang 100 aufwärts. In meiner Kategorie - das sind hauptsächlich Future- und Challengerturniere - können die Spielerinnen froh sein, wenn sie plus minus null rauskommen. Denn die Preisgelder sind nicht allzu hoch, können die entstehenden Reise- und Hotelkosten meistens nicht decken. Außerdem müssen die Prämien in den jeweiligen Ländern versteuert werden. Da bleibt nicht viel übrig.

Musst auch Du erst mal zubuttern?Christine Sperling: Ohne die Unterstützung meiner Eltern könnte ich das alles kaum durchziehen. Schließlich müssen auch Trainer und Physiotherapeut bezahlt werden. Bei meinem Aufenthalt in Australien, wo ich an drei Turnieren teilnahm - sonst lohnt sich der weite Trip nicht - verdiente ich zwar immerhin 1200 Dollar. Doch dieses Geld ging schon fast allein für den Flug drauf.

Bereits im ersten Jahr hast Du fast die halbe Welt kennen gelernt ...Christine Sperling: Das wäre etwas übertrieben, aber ich bin im Sommer schon viel herumgekommen. Vor allem in Europa. Meine Konkurrentinnen und ich bevorzuge die kontinentalen Veranstaltungen, weil die Anreise preisgünstiger ist. Fliegen ist inzwischen für mich wie Zugfahren - ich kenne einige Flugpläne auswendig.
Wo hat es Dir am besten gefallen?Christine Sperling: Bei einer Future-Veranstaltung in Griechenland. Ich kam bis ins Finale, das ich dann verlor. Das Doppel habe ich mit meiner Partnerin gewonnen. Das war mein bisher schönster Erfolg.

Hast Du auch schon in Welt-Metropolen aufgeschlagen?Christine Sperling: So weit bin ich noch lange nicht. Unsere Veranstaltungen finden in der Regel in der Provinz statt. Dementsprechend die Umgebung: Ich treffe oft schmutzige Kabinen und versiffte Brausen an, ich dusche dann lieber im Hotel. Challenger-Events locken nur wenige Zuschauer an.

Du bist noch sehr jung - keine Angst, bei den Tourneen fast immer allein zu sein?Christine Sperling: Nö, überhaupt nicht. Dadurch, dass ich nahezu alles selber managen muss, bin ich schon in relativ kurzer Zeit in meiner Persönlichkeitsentwicklung ein großes Stück weitergekommen. Nur meine Mutter macht sich immer Sorgen, wenn ich in der Weltgeschichte unterwegs bin. Sofort nach meiner Ankunft telefoniere ich mit ihr. Apropos Mama und Papa: Sie fördern mich, aber sie üben keinen Druck auf mich aus. Sie sind also nicht die typischen Tennis-Eltern.

Hast Du im Ausland auch schon Unangenehmes erlebt?Christine Sperling: Zum Glück nur einmal - in Osteuropa. Das war fast schon eine halbe Entführung des Taxifahrers, der mich betrügen wollte. Er verlangte von mir die doppelte Summe. Doch statt der geforderten 50 Euro habe ich ihm 20 Euro vor die Füße geknallt und bin dann quasi geflüchtet in Richtung Flughafen-Polizei.

Wie ist das Verhältnis zu Deinen Rivalinnen?Christine Sperling: Der Egoismus ist leider groß. Ich habe feststellen müssen: Fairness und Entgegekommen zahlen sich nicht aus, denn von der Gegenseite kommt in der Regel nichts zurück.

Wie sehen Deine Pläne für die Saison 2006 aus?Christine Sperling: Ich hoffe, einen weiteren großen Sprung machen zu können, peile eine Platzierung zwischen 200 und 300 an. Wenn ich in diesen Bereich vorstoßen kann, darf ich schon an der Qualifikation für Grandslam-Turniere teilnehmen. Das wäre natürlich super - mein Trainer traut mir das jedenfalls zu. Ich muss allerdings aggressiver spielen, mehr draufkloppen. Meine Stärken: Ich bin schnell und kann auch den Ball ziemlich präzise in die Ecken bringen.

Wäre der Einstieg schlecht verlaufen - hättest Du jetzt schon Schluss gemacht mit dem Profi-Tennis?Christine Sperling: Auf keinen Fall. Zwei Jahre habe ich mir als Minimum gesetzt. Natürlich gibt es keine Garantie: Sollte es sich mit dem Sport nicht mehr lohnen, mache ich das Abitur nach und studiere. Sport-Marketing würde mich zum Beispiel reizen.

Artikel vom 31.12.2005