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Geschenke gibt's erst im Januar

Auf Mallorca wird am Vorabend des Festes der Heiligen Drei Könige gefeiert

Von Wilfried Mattner
Lübbecke (WB). Geschenke, Karten, Festschmaus mit den dazugehörenden Getränken, liebevoll gestaltete Adventskränze und natürlich der Lichterbaum - Weihnachten ist insbesondere in Deutschland mit Traditionen behaftet, die bekannt sind auf der ganzen Welt. Wie aber wird Advent und das Weihnachtsfest in anderen Ländern begangen? In der zweiten Folge der vierteiligen Serie der LÜBBECKER KREISZEITUNG über Weihnachtsbräuche berichtet Klaus Wankelmann, wie er Advent und Weihnachten auf der spanischen Ferieninsel Mallorca erlebt.
Klaus Wankelmann lebt und arbeitet in Manacor, der zweitgrößten Stadt auf Mallorca. Foto: WB
Vier Wochen Advent - eine solche lange »Vorbereitungszeit« auf das Weihnachtsfest gönnen sich die Mallorciner nicht. Türchen öffnen am Adventskalender, Kerzen entzünden an Adventskränzen oder auf Gestecken - Fehlanzeige. Das gilt auch für den Nikolausbesuch; der »Mann in der roten Robe« lässt sich auf Mallorca kaum blicken. Weihnachtsmärkte gibt es; sie werden kurz vor dem Fest aufgebaut und enden am 6. Januar. Ursprünglich konnte man nur Krippenfiguren aller Art kaufen. Inzwischen hat sich jedoch auf diesen Märkten eine Angebotsmischung aus Kitsch und Kunsthandwerk durchgesetzt. Dekoriert wird zu Hause zum Weihnachtsfest mit Blättern von Stechpalmen und Weihnachtssternen, während sich die Innenstädte mit weihnachtlichem Straßenschmuck und entsprechender Beleuchtung erst vom 23. Dezember an präsentieren.
Weihnachtsbäume gab es auf Mallorca früher nicht, denn es gab hier keine Tannen. Heute gibt es Tannenbäume an jeder Ecke zu kaufen, allerdings meistens künstliche.
Zu Weihnachten genießen die Mallorciner gern »Turrones« in allen Versionen. Bei dieser Spezialität handelt es sich um Stangen aus Marzipan, Nougat, gefüllter Schokolade, Mandeln oder Nüssen, weich oder hart, Kastanien, Marzipan und Polvorones, die in Stücke geschnitten werden. Turrones sind typische Weihnachts-Süßigkeiten auf Mallorca. Als Weihnachtsessen lassen sich die »Insulaner« gern Spanferkel oder gefüllten Truthahn schmecken, ohne auf die landestypische Weihnachtssuppe zu verzichten, bei der es sich um gefüllte Pasta-Suppe handelt. Fisch im Ofen mit Gemüse oder in der Salzkruste und Meeresfrüchte wie Langusten, Gambas, Langostinos, Austern und Jakobsmuscheln finden natürlich auch den Weg auf die Tische.
Während sich in Deutschland die Kinder und Erwachsenen am Heiligabend über Geschenke freuen, herrscht auf Mallorca häufig noch die Vorfreude, oder es ist Geduld gefordert. Denn traditionell werden die Geschenke erst am 5. Januar verteilt, am Abend vor dem Fest der Heiligen drei Könige. Dann gibt es in jedem Ort in Spanien einen Umzug, bei dem die Kinder die Heiligen Drei Könige sehen können mit Pagen und Kamelen. Wenn die Kinder nach Hause kommen, legen sie ein wenig Hafer für die Kamele ans Fenster und werden dafür mit Geschenken belohnt. Unartige Kinder bekommen Kohle statt der Geschenke. Man beschenkt sich unter Familienmitgliedern und guten Freunden, wobei das Konsumverhalten sehr ausgeprägt ist.
Immer stärker spürbar wird aber auch auf Mallorca der kulturhistorische Einfluss Europas in Sachen Weihnacht. Überall in Spanien kennt man längst »Papa Noël«, und viele Familien feiern inzwischen Weihnachten wie in Deutschland mit Bescherung am 24. Dezember. Dazu gehört normalerweise das Abendessen mit der Familie. Um 24 Uhr gehen alle zusammen in die Kirche zur »Misa del gallo« - Hahn-Messe genannt wegen der späten Uhrzeit. Danach trifft man sich mit Freunden zu Hause, trinkt heiße Schokolade und isst »Ensaimada«, süße Schmalzschnecken. Anschließend geht die Jugend aus und lässt es »richtig krachen«.

Artikel vom 10.12.2005