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Das Praktikum ebnet Weg in den Beruf

WB-Serie (6): Ausbildungsbetrieb Gebäuceservice Stoll

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). »Wischen ist Macht« - die Mitarbeiter von Stoll Gebäudeservice sehen ihr Betätigungsfeld gerne mit Humor. Doch der Schrubber ersetzt auch bei den Stoll-Auszubildenden keineswegs das Schulbuch. Wer bei dem Steinhagener Unternehmen einen Lehrvertrag ergattern will, der sollte mindestens einen Hauptschulabschluss mitbringen.

Und das nicht nur im kaufmännischen Bereich, wie Dr. Alf Kakoschke für die WB-Serie »Ab in die Zukunft« erläutert: »Wir legen Wert auf akzeptable Schulnoten und ein Interesse an Naturwissenschaften.« Der Chemiker ist bei Stoll Ausbildungsleiter und macht die angehenden Gebäudereiniger fit für die Gesellenprüfung, auch beim überbetrieblichen Unterricht der Innung. »Materialkunde steht dabei ganz oben«, sagt Kakoschke. »Denn nur wer erkennt, um welche Oberfläche es sich handelt, setzt die richtigen Mittel ein.«
Auch Glas ist keineswegs gleich Glas. Verspiegelungen, Sicherheitsglas, Plexiglas - wer das falsche Putzmittel verwendet, macht die Scheiben blind oder zerkratzt sie. »Weil Glasreinigung so schwierig ist, machen wir das ganz konservativ mit der Hand«, erläutert Kakoschke. Ansonsten lernen die jungen Leute im Rahmen ihrer Lehre einen ganzen Maschinenpark kennen: vom Hochdruckreiniger über Maschinen zur Teppichreinigung bis zum Scheuer-Saug-Automaten.
Vier Auszubildende gibt es bei Stoll in Steinhagen aktuell, 26 insgesamt an den Standorten Merseburg, Berlin, Dorsten und eben dem Stammhaus. Vorarbeiter Burghardt Preuß hat Hendrik Miethöfer, Erdzan Hajvazi und Alex Hegel unter seinen Fittichen und weist sie in die praktische Arbeit ein. Damit sie alle Tätigkeiten des Gebäudereiniger-Handwerks gemäß dem Lehrplan kennen lernen, gibt es Kooperationen mit anderen Innungsbetrieben.
Die drei Lehrlinge haben alle über ein Praktikum Kontakt zu Beruf und Firma gefunden. Auf dem direkten Weg hatte es der 16-jährige Hendrik Miethöfer aus Bielefeld zu Stoll verschlagen. Beim 18-jährigen Erdzan Hajvazi aus Bielefeld klappte es einige Zeit nach dem Hauptschulabschluss, doch Hauptschüler Alex Hegel (22) aus Bielefeld musste erst etliche Umwege gehen. Er hangelte sich von Job zu Job, bis er bei Stoll eine Chance bekam und sie ergriff. Jetzt ist er im dritten Ausbilungsjahr und wird bereits ein halbes Jahr früher als üblich seine Gesellenprüfung ablegen. »Gebäudereinigen ist sehr abwechslungsreich, auch wenn der Beruf einen eher schlechten Ruf hat«, sagt er.
Neben den Zeugnisnoten und einer ansprechenden Bewerbung haben für viele Ausbildungsbetriebe persönliche Eigenschaften eine große Bedeutung bei der Auswahl ihrer Lehrlinge. Zuverlässigkeit, Belastbarkeit und Flexibilität - diese Eigenschaften sind nicht nur bei Stoll gefragt. »Auf fremde Leute zugehen, ein Gespräch führen - das ist bei jungen Leuten heute leider die Ausnahme«, sagt Firmenchef Peter Stoll, seines Zeichens auch Innungsobermeister. Auf dem Lande mit seinen zumeist geordneten Verhältnissen seien solche persönlichen Qualitäten aber noch eher zu finden als etwa in Kreuzberg oder Wedding, berichtet er aus Erfahrung. Doch seine Verantwortung als Unternehmer im Bereich Ausbildung nimmt Peter Stoll gerne wahr, hatte sich vor vier Jahren auch der Ausbildungsoffensive der Bundesregierung angeschlossen und zehn Auszubildende zusätzlich eingestellt. Aber eines wurmt ihn: Dass ausbildende Betriebe für ihr Engagement und die anfallenden Kosten eher bestraft als belohnt werden, nämlich im Wettbewerb um Aufträge. Nicht ausbildende Firmen hätten da Kostenvorteile.

Artikel vom 09.12.2005