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Alle ziehen Gewinn aus Arbeit der Bauern

»Landwirtschaft in den Medien«: WESTFALEN-BLATT-Chefredakteur Rolf Dressler zu Gast in Brakel

Von Michael Robrecht
Brakel/Kreis Höxter (WB). WESTFALEN-BLATT-Chefredakteur Rolf Dressler hat vor Landwirten in Brakel die zunehmende Skandalisierung gerade auch landwirtskritischer Themen in den deutschen Medien beleuchtet. »Es wird heute leider immer mehr pauschalisiert statt differenziert«, sagte Dressler vor der Versammlung des Vereins landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen des Kreises Höxter.

Der Gast aus Bielefeld beschäftigte sich mit dem Erscheinungsbild des Bauernstandes in Presse und TV-Medien und machte seine Zuhörerschaft mit dem Arbeitsalltag in Redaktionen bekannt, wo man zwangsläufig in die Berichterstattung auch über nur vermeintliche Skandalthemen einsteigen müsse, vor allem wenn sie bereits vom »Leitmedium Fernsehen« erst einmal auf breiter Front losgetreten worden seien. »Da wirft irgendjemand einen Stein in den Teich, es entsteht eine große Welle, und alle hüpfen drauf«, so beschrieb Dressler den Weg so mancher eigentlich nur kleinen Nachricht zum großen Skandalspektakel. Nicht selten drehe sich dann eine von den Medien selbst gemachte Spirale mit rasendem Tempo immer schneller: »Und am Ende glaubt man, zum Beispiel die Vogelgrippe raffe ganze Völker dahin, der Untergang sei nahe.«
Auf diese Weise schaukelten sich Medien und Öffentlichkeit zu teils absurden Szenarien auf, weil dieser oder jener immer noch eins draufsetze. Solche Skandalisierungen ließen sich häufig aber kaum noch auf den Boden sachgerechter Berichterstattung zurückholen, wenn praktisch alle Massenmedien »wie die Lemminge auf einer Spur« liefen. So entstehe dann zum Beispiel auch ein Zerrbild der Wirklichkeit der Leistungen der Landwirtschaft.
»Wir sollten uns aber viel öfter an den vielfältigen Leistungen unserer Bauern erfreuen. Wer, wenn nicht sie, sorgt denn für eine gepflegte Landschaft, bestellt Felder, mäht Wiesen? Erst eine funktionierende Landwirtschaft und Landschaftspflege sind doch auch die Grundlage für einen blühenden Tourismus. Was nützt das schönste Hotel, die beste Ferienwohnanlage ohne eine intakte Landschaft?« Alle Menschen zögen einen großen Gewinn aus der guten Arbeit der Bauern.
Welche Wirkungen die Skandalisierung bestimmter Themen erzeugen kann, das habe sich seinerzeit am Beispiel eines behaupteten, angeblich flächendeckenden Waldsterbens besonders anschaulich gezeigt: Viele Jahre lang sei es als angeblich feststehender Tatbestand ausgegeben worden, dass der Waldbestand in Deutschland schon in absehbarer Zukunft weitgehend verschwunden sein werde. In Wirklichkeit aber seien die Wälder in Deutschland und Gesamt-Europa seit den frühen 1990er Jahren sogar um acht Prozent gewachsen. Folglich klafften Wirklichkeit und öffentliche Wahrnehmung weit auseinander. Mit Blick auf die Vogelgrippe bescheinigte Rolf Dressler den Verbrauchern, diesmal nicht so panisch auf den Skandal zu reagieren wie bei früheren Krisen. Es breche nicht wie beim Rindfleisch ein Markt zusammen, Geflügelfleisch werde weiter verkauft.
Dennoch bleibe auch diesmal wieder etwas am Ruf der Landwirtschaft hängen. Ein ganzer Berufsstand gerate unter Verdacht. Dazu gesellten sich noch Vorurteile über EU-Bürokratie, Subventionsdschungel in der Landwirtschaft und sogar der absurde Verdacht, »die« Landwirtschaft könne womöglich »die« Menschen mit Schadstoffen vergiften. Deshalb bemühe sich die WESTFALEN-BLATT-Redaktion gerade auch im Zeitalter des Fernsehens (Dressler: «Fernsehbilder haben beträchtliche Wirkungen auf die menschliche Psyche«) ganz besonders darum, möglichst auch viel Positives darzustellen und Mut zu machen - eine Aussage, die die anwesenden Landwirte besonders anerkennend honorierten. Eine Regional- und Lokalzeitung wie das WESTFALEN-BLATT sei stets Ansprechpartner gerade auch für die heimische Landwirtschaft und deren Anliegen. Sie biete ein Forum, um sachlich und unaufgeregt über brennende Fragen zu berichten.
Dazu gehöre aber auch, die Augen vor den Wahrheiten - wie dem großen Höfesterben und den immer größeren Hofeinheiten - nicht zu verschließen und darüber auch kritisch zu schreiben.

Artikel vom 10.12.2005