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Leben in einer
brüchigen Welt

Robert Menasse wird Gastdozent

Paderborn (WV). Der in Wien lebende Autor Robert Menasse (51) tritt an diesem Montag die 24. Schriftsteller-Gastdozentur an der Universität Paderborn an.

Menasse wird seine Dozentur unter den Rahmentitel »Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung« stellen und am Montag, 12. Dezember (Beginn 16.15 Uhr, Hörsaal C 1), eine Auftaktlesung aus seinem breiten Schaffen unter dem Titel »Alles ist besser als nichts« halten. Hinzu kommen im weiteren Verlauf des Wintersemesters fünf Vorträge, die der Autor unter die folgenden Einzeltitel gestellt hat: »Die Welt, in der ich schreibe« (9. Januar), »Die unbeschriebene Welt« (16. Januar), »Glaube, Terror - Friede?« (23. Januar), »Plädoyer für die Gewalt« (30. Januar) und »Die Rettung der Welt durch die Zerstörung der Welt« (6. Februar). Der Eintritt ist jeweils frei.
Ob als Theoretiker und Wortführer eines der Aufklärung verpflichteten Österreichers, der mit provokanten Zwischenrufen das politische Tagesgeschehen kommentiert, oder als Erzähler, der in einer anderen, einer künstlerischen Schicht das Gespräch mit dem Leser sucht - Menasse hat immer wieder für Diskussionen gesorgt. Die essayistischen Interventionen und die literarischen Werke im engeren Sinn sind dabei zwei Seiten eines Werks, das sich in zentraler Weise mit der Geschichte und den Politiken der Erinnerung auseinander setzt.
In dem dreiteiligen Prosa-Projekt »Sinnliche Gewissheit« (1988), »Selige Zeiten, brüchige Welt« (1991) und »Schubumkehr« (1995) buchstabiert er so Hegels Geistphilosophie zurück in eine Philosophie der »Entgeisterung«, die der Idee einer treppenförmigen geschichtlichen Höherentwicklung die Vorstellung stetiger Verkümmerung, der verpassten Möglichkeiten und gescheiterten Hoffnungen entgegen stellt.
In dem großen Zeitroman »Die Vertreibung aus der Hölle« (2001) verbindet sich das Menasses Arbeit leitende Problem des rechten Umgangs mit der Geschichte und der Suche nach Zugehörigkeit und Identität dann mit einer Rückbesinnung auf die jüdische Geschichte, die sich in den vergangenen Jahren bei einer ganzen Reihe - nicht allein - österreichischer Autoren findet.

Artikel vom 09.12.2005