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Ein mechanisches Wunderwerk

Blick durch die vielen Türen und Klappen der Orgel in der Versöhnungskirche

Von Matthias Kleemann
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Als Adventskalender wäre eine Orgel gut geeignet - zumindest, was die Zahl der Türen und Klappen betrifft, die man öffnen kann. Küster Arno Loock, selbst gelernter Orgelbauer, hat das WESTFALEN-BLATT hinter einige dieser Türen schauen lasen.

16 Jahre ist sie alt, die Orgel der Versöhnungskirche am Gluckweg. Von der Einweihung am 4. Juni 1989 gibt es noch Exemplare der Festschrift. Ihr ist zu entnehmen, dass Superintendent Dieter Kratzenstein den Festgottesdienst geleitet hat. Pfarrer Werner Wiechelt hat mitgewirkt, die Orgel haben Barbara Kornmaul und Susanne Immer gespielt, letztere hat auch den Kirchenchor geleitet. Und nach dem Gottesdienst hat eine Orgelvorführung mit Orgelbaumeister Reinhart Tzschöckel aus Süddeutschland stattgefunden.
»Ich kann mich an den Aufbau noch genau erinnern. Wir hatten viel Spaß damals«, erzählt Arno Loock. Der Küster steht im kommenden Jahr seit einen Vierteljahrhundert in Diensten der Gemeinde, ist eingestellt worden, als der Neubau der Versöhungskirche fertig gestellt und eingeweiht wurde. Loock stammt aus Bielefeld und ist bei der Brackweder Orgelbaufirma Kleuker ausgebildet worden. Dass man so jemanden als Küster gerne nimmt, liegt auf der Hand, trotzdem übernimmt Arno Loock nur kleinere Wartungsarbeiten und Reparaturen an der Orgel, schon, um die Gewährleistungsansprüche gegenüber der Orgelbaufirma nicht zu gefährden.
Zum Beispiel stimmt er einzelne Pfeifen nach oder repariert Ventile, wenn die einen »Heuler« haben, also einen unangenehmen Dauerton, weil das Ventil nicht richtig schließt. Oder an der Spieltraktur geht etwas kaputt, das ist die Mechanik, die den Tastendruck des Organisten auf die Windlade überträgt, um letztlich den Ton zu erzeugen.
Um dieses Wunderwerk zu bestaunen, muss man sich durch eine Tür in der Mitte der Orgel zwängen. Man gelangt hinter das Instrument und öffnet dort eine Klappe. Dutzende schmaler Holzleisten sind dort senkrecht, parallel angeordnet, mit waagerechten Holzwellen gekoppelt, die die Bewegung wiederum auf Ventile übertragen. Holz, das ist der Hauptwerkstoff aus dem die meisten Orgeln bestehen. Holz ist aber auch stark vom Raumklima abhängig. Deshalb gibt es in der Versöhnungskirche eine Luftbefeuchtungsanlage, und die Temperatur darf stündlich nur um ein Grad verändert werden. Mit einem Hygrometer wird ständig die Luftfeuchtigkeit kontrolliert, was vor allem bei der trockenen Heizungsluft im Winter wichtig ist. Im Sommer gehen hohe Temperaturen auch mit höherer Luftfeuchtigkeit einher, das verträgt die Orgel besser.
Obwohl es sich bei der Orgel in der Versöhnungskirche um ein eher kleineres Instrument handelt, ist die Zahl der Pfeifen doch enorm: 1386 Stück sind es, in 16 Registern, von der größten, die knapp drei Meter misst, bis zur kleinsten, die kaum länger als ein Daumennagel ist, gut einen Zentimeter. Sie sind aus verschiedenen Hölzern oder Metalllegierungen, was verschiedene Klangfarben erzeugt. Manche haben Zungen, wie ein Harmonium. Viele Pfeifen sind nach den Instrumenten benannt, an die ihr Klang erinnert: Trompete, Fagott, Flöte.
Etwa alle vier Jahre kommt ein Vertreter der Firma Tzschöckel, um jede einzelne Pfeife zu stimmen - eine anstrengende Arbeit, für die man ein sehr feines Gehör braucht. Übrigens: Orgelbauer müssen zwar musikalisch sein, aber nicht Orgel spielen können.

Artikel vom 08.12.2005