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Den Autor als
Mensch erfahren

Joerg Magenau stellt Biographien vor

Rietberg (kh). Unterschiedlicher können die Figuren nicht sein. Dennoch betonte Joerg Magenau: »Die beiden Bücher gehören zusammen.« Der freie Autor las am Montag in der Stadtbibliothek aus seinen Biographien über Christa Wolf und Martin Walser.

Im Anschluss an die Lesung stellte sich Magenau den Fragen von Bibliotheksleiter Manfred Beine und dem Publikum.
Die Lesung war die fünfte Veranstaltung in diesem Herbst in Sachen Literatur. Dass dieses Mal jedoch kein Dichter oder Lyriker, sondern ein Literaturwissenschaftler las, war neu. Vor rund einem Jahr war Martin Walser im Ratssaal zu Gast gewesen. Die Wahrscheinlichkeit eines Besuches von Christa Wolf in Rietberg sah Manfred Beine jedoch als sehr gering an. Die Schriftstellerin reist nicht gerne und gibt kaum Lesungen. Um so mehr konnten die knapp 20 Zuhörer daher von Joerg Magenau über Wolf und Walser erfahren.
Der Biograph wählte in seiner Vorstellung von Martin Walser ein Kapitel mit dem Titel »Kein Grund zur Freude«, das sich mit den 70er Jahren beschäftigt. Darin beschreibt Magenau das freundschaftliche aber schwierige Dreiecksverhältnis zwischen dem der DKP nahe stehenden Walser, seinem Verleger Siegfried Unseldn und dem Schriftsteller Uwe Johnson. Spannungen gab es hier insbesondere um ein Bündel mit 99 Sprüchen mit dem Titel »Ein Grund zur Freude«. Verleger Unseldn wollte sie nicht veröffentlichen und auch Johnson riet davon ab, dichtete die Sprüche später sogar um und verwandte sie gegen den Autor.
Joerg Magenau zeichnet das Bild eines emotionalen, anarchistischen Walsers, der mit seiner Art oft aneckt. Ganz im Gegensatz dazu steht Christa Wolf, die in ihrem Handeln viel rationaler ist. Magenau wählte aus seinem Buch, das viele zeitgeschichtliche Informationen enthält, ein Kapitel aus dem Jahr 1989.
Der Umbruch in der DDR mit Massenfluchten und brutalem Vorgehen gegen Demonstranten spielte eine zentrale Rolle. Wolf verlängerte ihre SED-Mitgliedschaft nicht, wollte dieses aber auch nicht öffentlich werden lassen. Etwas später schrieb sie einen Protestbrief an Honecker. Die Schriftstellerin war zudem beherrscht von der Angst, dass es bei den Demonstrationen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen könnte und rief sogar die Montagsdemonstranten auf, zu Hause zu bleiben.
»Die Verflechtung von Lebens- und Zeitgeschehen sowie die Möglichkeit, über die Literatur einen Zugang zu den Menschen zu finden, hat mir sehr viel Spaß gemacht«, resümierte Joerg Magenau, der für beide Biographien neben den Gesprächen insbesondere Briefe und Tagebuchaufzeichnungen ausgewertet hatte.

Artikel vom 07.12.2005