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Psycho-soziale Hilfe
bleibt auf der Strecke

Flüchtlingsbetreuung ab Januar nur noch im Rathaus

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Die AWO-Flüchtlingsbetreuung in Steinhagen läuft zum Jahresende aus, so haben es Sozialausschuss und Hauptausschuss mehrheitlich beschlossen. Doch auch wenn nur noch einzelne Neue kommen: 130 Flüchtlinge und Asylbewerber leben nach wie vor in der Gemeinde. Künftig soll sich das Sozialamt um diese Menschen und ihre Probleme kümmern.

Von Armenien bis Sri Lanka - aus vielen Ländern leben Menschen »auf Zeit« in Steinhagen, teils im Übergangswohnheim, teils in Privatwohnungen. Gerlinde Scholz hat sich seit 1997 als Flüchtlingsbetreuerin nicht nur um Behördenkontakte und organisatorische Fragen gekümmert. Ein großer Schwerpunkt ihrer halben Stelle bestand in der psycho-sozialen Begleitung.
Gerlinde Scholz berichtet von Menschen, die in jahrelanger Ungewissheit über ihren Verbleib leben. Einerseits seien die Kinder in Kindergärten und Schulen integriert, andererseits seien die Eltern damit konfrontiert, dass sie täglich abgeschoben werden können. »Sie leben unter einer Glocke der Angst und können ihren Kindern so nicht die nötige Sicherheit vermitteln.« Neue Probleme entstünden. Eine kurdische Familie etwa lebt schon seit 18 Jahren in diesem Zustand. Vielfach kommen die Menschen auch aus so belastenden Situationen in ihrer Heimat, dass sie unter Krankheiten und Schlafstörungen leiden, der Kontakt zum Arzt also das vorrangige Problem sei. »Wer im Rathaus kann diese Betreuung leisten? Da fehlt es doch an der Qualifikation und an der Zeit«, macht sich Gerlinde Scholz Gedanken.
Diese psycho-soziale Begleitung wird nun wegfallen, weiß auch Bürgermeister Klaus Besser. Als Leiter des Sozialamtes bemüht er sich gleichwohl, den Wegfall der Flüchtlingsbetreuung zu kompensieren. Holger Twistel, bislang für die wirtschaftlichen Hilfen für Asylbewerber zuständig, soll künftig auch weitere Hilfs- und Beratungsangebote vermitteln, die beispielsweise die Diakonie Halle bereitstellt. »Diese Vermittlung wird sich in der Regel im Rathaus abspielen«, erläutert Besser. Den Besuch der Familien, wie es derzeit Gerlinde Scholz leistet, wird es nur noch in Ausnahmen geben.
Die Kreisgeschäftsführerin der AWO, Ulrike Boden, bedauert, dass sie Gerlinde Scholz nicht weiterbeschäftigen kann. Zumal die AWO mit der Kürzung des gemeindlichen 143 000-Euro-Zuschusses zum Haus der Jugend einverstanden war, wenn diese »gesparten« 12 000 Euro der Flüchtlingsberatung zugute kämen, was dann aber ausblieb. »Die Flüchtlingsberatung wird im sozialen Gefüge der Gemeinde sicher fehlen«, sagt Ulrike Boden. Zumal Gerlinde Scholz als Schnittstelle zwischen der Bevölkerung und den Menschen in den Wohnheimen gewirkt und viele Ehrenamtliche in die Arbeit eingebunden habe.

Artikel vom 07.12.2005