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»Spaß« kostet 100 000 Euro

Aus Jux die Handbremse gezogen

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Ein bisschen Spaß muss sein, dachte sich Eduard H. (35). Er zog im fahrenden Auto aus Jux die Handbremse. Ein teurer Spaß, der den Bierfahrer wohl mindestens 100 000 Euro kostet.

Ein Samstagabend im Juni dieses Jahres: Mit seinem Arbeitskollegen Marcel J. (23) zieht Eduard H. durch die Paderborner Kneipen. Sie treffen noch zwei junge Frauen, und weit nach Mitternacht kommt jemand auf die Schnapsidee, man könne ja vielleicht schwimmen gehen.
Marcel J. hat zwar nie einen Führerschein gemacht, aber Autofahren kann er, läuft nach Hause und schnappt sich den Autoschlüssel seiner bereits schlafenden Freundin. Mit deren Nissan Sunny startet das Quartett in Richtung Freibad.
Alle sind angeheitert. Eduard H., so ergibt später die Blutprobe, hat 1,7, sein Kollege am Steuer 1,2 Promille im Blut. »Fahr schneller, gib Gas«, stichelt der auf dem Rücksitz hockende H. ständig. Und als J. gerade in den Löffelmannweg abbiegt, verkündet der Witzbold: »Jetzt wollen wir mal etwas Spaß haben und schleudern«. Mit einem Ruck zieht er die Handbremse. Schlagartig blockieren die Hinterräder. Der Kleinwagen schlingert unkontrolliert gegen drei am Straßenrand geparkte Pkw und bleibt schrottreif liegen. Der Gesamtschaden beläuft sich auf gut 30 000 Euro.
Eine der jungen Frauen wird leicht verletzt, ihre Freundin und der Unfallverursacher erleiden schwere Verletzungen. Am schlimmsten erwischt es den Fahrer. Die Feuerwehr muss ihn aus dem Wrack befreien, Marcel J. liegt mehrere Wochen im Krankenhaus.
Gestern mussten er und sein Kollege sich vor dem Paderborner Amtsgericht verantworten. »So etwas kann einfach nicht hingenommen werden, dass man aus Spaß im Straßenverkehr ein Auto schleudern lässt«, betont Staatsanwalt Dr. Dieter Störmer. Bis der andere die Handbremse gezogen habe, sei sein Mandant - auch ohne Führerschein - ja ganz vernünftig gefahren, wirbt Heinrich Striewe als Verteidiger von Marcel J. für diesen um Verständnis.
Eduard H. habe keinerlei Erinnerung mehr an das Unfallgeschehen und könne sich sein Verhalten überhaupt nicht erklären, sagt dessen Anwalt Dr. Andreas Jolmes. »Das kann man wohl nur als schwachsinnig, idiotisch oder bescheuert bezeichnen«, schüttelt der Verkehrsrechtsexperte selbst fassungslos den Kopf.
Wenig Spaß versteht auch Richter Eric Schülke. Er verurteilt Marcel J. wegen fahrlässiger Trunkenheit und vorsätzlichen Fahrens ohne Führerschein zu einer Geldstrafe von 1250 Euro (50 Tagessätze). Der Hauptschuldige sei allerdings Eduard H. »Er hat sich über die Folgen offenbar keine Gedanken gemacht«, so der Richter. Das Urteil: insgesamt ein Jahr Führerscheinentzug wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und fahrlässiger Körperverletzung; zusätzlich muss er 2000 Euro (80) Tagessätze Geldstrafe zahlen.
»Zudem werden auf ihn massive Schmerzensgeldforderungen und Schadenersatzkosten für die zerstörten Autos und die Krankenhausbehandlung zukommen«, rechnet Richter Schülke dem Angeklagten vor.
Dem dürfte der Spaß ohnehin vergangen sein.

Artikel vom 06.12.2005