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Von Stephan Rechlin

Gütersloher
Wochenschauer

Blick aus dem Schlupfloch


Die Marburg hat eine traurige Karriere hinter sich. Im vergangenen Jahr wollte Landrat Sven-Georg Adenauer wegen der Idee vom interregionalen Gewerbegebiet noch wiedergewählt werden. Anfang dieser Woche musste er förmlich darum kämpfen, dass »sein« Thema nicht mehr offen im Kreistag diskutiert wird.
Die »schutzwürdigen Interessen Dritter«, mit denen er die Abstimmung über den Vertrag im öffentlichen Teil vereitelte, dürften vor allem seine eigene Interessen gewesen sein. Eine öffentliche Debatte hätte so manches Rücktrittsrecht zutage gefördert, das im krassen Gegensatz zum »positiven Signal in schwieriger Zeit« gestanden hätte. So sollen die drei an der Marburg GmbH beteiligten Kommunen bereits dann aussteigen können, wenn die Kosten des neuen Autobahnanschlusses um zehn Prozent höher ausfallen als kalkuliert. Solch eine Kostensteigerung rechnet normalerweise jeder Bauherr eines Einfamilienhauses vorsichtigerweise in seine Kalkulation ein. Neben dieser Klausel gibt es eine Fülle weiterer Gründe, warum das Projekt Marburg im letzten Moment doch noch scheitern könnte.
Diese Schlupflöcher im Kaufvertrag über das Marburg-Areal eröffnen den drei Kommunen und ihren Räten ökonomische Fluchtmöglichkeiten aus dem nur noch politisch gewollten Projekt. Nach der Herbstreit-Studie ist die »Marburg« für den Kreis höchstens noch eine Chance, die Abschreibung einer viel zu teuer gekauften landwirtschaftlichen Fläche etwas glimpflicher ausfallen zu lassen. Unter dieser Prämisse ist die mehrheitliche Zustimmung des Kreistages nachvollziehbar. Angesichts der auf Jahre schlechten Vermarktungsaussichten gibt es für die Kommunen jedoch keinen Grund mehr, den Vertrag zu billigen - trotz des völlig auf den Kreis abgewälzten Risikos.
Um die schutzwürdigen Interessen Dritter zu wahren, darf das niemand sagen. Darum sind Schlupflöcher so nützlich.

Artikel vom 03.12.2005