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Von Manfred Stienecke

Paderborner
Perspektiven

Das faule »Ei des Kolumbus«


Das »Begräbnis« erfolgte nicht mal dritter Klasse. Still und »heimlich« entsorgte die Stadt Paderborn ihre Pläne für eine Mehrzweckhalle am Schützenplatz. Wenige Monate zuvor noch als das »Ei des Kolumbus« gefeiert, ließen die Verantwortlichen das frisch ausgebrütete Projekt wie eine heiße Kartoffel fallen, als sich immer neue Probleme mit bisherigen Nutzern des Geländes sowie bei der Lärmimmission und beim Parkplatzvolumen abzeichneten. In der Frage der seit Jahren diskutierten Anpassung der Hallenkapazitäten an mittlerweile großstadtübliche Standards tritt die Stadt Paderborn wie bei anderen Großprojekten wie Stadion und Theaterneubau auch auf der Stelle.
Am meisten wurmt der Stellungskampf ohne Geländegewinn die Geschäftsführerin der Paderborner Stadthallen-Betriebsgesellschaft. Ein ganzes Jahr Planungsarbeit hat Dr. Maria Rodehuth in den Sand des »Schützenparks« gesetzt, der ihr im immer härter werdenden Wettbewerb der Veranstalter-Orte wieder etwas Luft verschaffen sollte. Ohne eine vielfach nutzbare Multifunktionshalle mit bis zu 4000 Sitzplätzen kann Paderborn als Wirtschafts- und Lebensraum für bis zu einer halben Million Bürger in Stadt und Umland auf Dauer nicht bestehen. Schon jetzt machen nicht nur Großveranstalter, sondern auch Messeunternehmen und Firmen um die Paderstadt einen großen Bogen, wenn es um eine repräsentative und vor allem hinreichend große Halle geht.
Schon heute dürfte Paderborn die einzige Großstadt Deutschlands sein, die sich mit einer maximalen Hallenkapazität von 950 Besuchern bescheiden muss. Mehr gibt die Paderhalle nicht her. Und die Sporthalle am Maspernplatz kann wegen ihrer Primärnutzung als Sportstätte nur sporadisch für Rüdiger Hoffmann & Co. geöffnet werden - bei allen damit verbundenen Komforteinschränkungen vom muffigen Sportfeld-Ambiente über die fehlende Terrassierung im Innenbereich bis zur Nackenstarre, die der Zuschauer beim stundenlangen Blick von der Tribüne auf die zumeist seitlich installierte Bühne zwangsläufig mit nach Hause nimmt.
Das jüngere Publikum fährt schon längst über den Teutoburger Wald oder in die anderen Himmelsrichtungen, um seine Lieblinge live erleben zu können. Für Auftritte von namhaften Rockbands und trendigen Teenager-Schwärmen aus der Popbranche hat die Paderstadt rein gar nichts zu bieten. Keine hier verfügbare Halle erfüllt auch nur annähernd die Voraussetzungen für ein stimmungsvolles und funktionsgerechtes Kid-Spektakel.
Alles, was die »Erste Bundesliga« der Unterhaltungsbranche zu bieten hat, geht an Paderborn vorbei - von der Champions-League ganz zu schweigen. Und selbst Show-Größen der zweiten Kategorie zeigen der Stadt die kalte Schulter und treten lieber in Bielefeld oder im Haller Gerry-Weber-Stadion auf. Auch die heimische Firma Wincor-Nixdorf scharrt seit langem mit den Hufen, weil sie ihre jährliche Hausmesse nicht in angemessenen Räumen durchführen kann. Welch peinliche Situation für die Paderstadt, wenn das Vorzeigeunternehmen für seine Präsentationen in die Nachbarschaft ausweichen müsste!
Die Stadt hat zugesagt, sich für die dringend benötigte Multifunktionshalle nach alternativen Standorten umzusehen - und tut dies ängstlich hinter zugezogenen Gardinen. Dabei ist Eile genauso wie Weitblick gefordert. Jedes Jahr, das bei der Realisierung verloren geht, bringt die Stadt weiter ins Hintertreffen und erschwert die Aufholjagd in der harten Konkurrenz der Event-Städte, die das kostbare Fell genüsslich unter sich aufteilen. Gerade weil die anderen Großprojekte Stadion und Kammerspiele ins Rutschen gekommen sind, darf das dritte Vorhaben nicht gänzlich verschüttet werden.

Artikel vom 03.12.2005