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Pflegeversicherung zahlt
nicht für eine Funkklingel

Künsebecker sauer über bürokratische Vorschriften

Von Klaus-Peter Schillig
Halle-Künsebeck (WB). Bernhard Gailun aus Künsebeck verzweifelt an den Richtlinien für die Pflegeversicherung. Stein des Anstoßes ist eine einfache Funkklingel, die er für seine bettlägerige Mutter angeschafft hat.

Der 61-jährige Künsebecker versucht in der Regel, der Allgemeinheit möglichst wenig auf der Tasche zu liegen. Das Haus an der Flurstraße hat er 2002 gekauft und auf eigene Kosten so umgebaut, dass seine nach mehreren Operationen behinderte und bettlägerige Mutter auch im Rollstuhl überall hin gefahren werden kann - ins Bad ebenso wie auf die Terrasse. Die Pflegeversicherung zahlt den täglichen Einsatz einer mobilen Pflegekraft, ansonsten kümmert sich Bernhard Gailun selbst um seine fast 89-jährige Mutter.
Weil Martha Gailun eine eigene kleine Wohnung im selben Haus bewohnt, hat sich ihr Sohn bei Elektro Schneiker in Künsebeck eine Funk-Klingel gekauft - für 99,98 Euro. Damit kann ihn die bettlägerige alte Dame bei Bedarf mit lauten Gongton rufen, wenn er gerade im Garten ist oder in seiner Werkstatt bastelt. Die Klingel hat er auf einem Tisch gleich neben dem Bett montiert. »Die reicht bis zu 200 Meter«, ist der ehemalige Postbedienstete von seiner Anschaffung begeistert - und hoffte darauf, von der Pflegeversicherung die Kosten erstattet zu bekommen. Die aber stellt sich quer. Seitdem liegt Bernhard Gailun mit der AOK Sachsen-Anhalt, bei der seine Mutter versichert ist, im ständigen Telefon-Clinch - und verzweifelt an bürokratischen Vorschriften.
Abgelehnt wurde sein Antrag, weil er als Rentner ohnehin ständig im Haus sei, aber auch, weil die Funkklingel nicht als Hilfsmittel zugelassen sei. Das sieht die AOK in Gütersloh genauso, ist aber nicht zuständig. Die Pressesprecherin der AOK Sachsen-Anhalt, Petra Fleischer, versicherte gestern auf Anfrage des WESTFALEN-BLATTes, dass der Widerspruch aus Künsebeck zurzeit geprüft werde. In der kommenden Woche soll ein klärendes Telefongespräch stattfinden, um nach Alternativen zu suchen.
Anerkannt würde allenfalls, so hat Bernhard Gailun den bisherigen Schreiben und Telefonaten entnommen, ein regelrechter Hausnotruf über eine Zentrale. Die würde dann bei einem Signal aus dem Zimmer seiner Mutter bei ihm anrufen. »Geldverschwendung« nennt das Bernhard Gailun - genauso wie die 1000 Euro teuren Spezialschuhe, die von der Versicherung nach voreiliger Verordnung im Krankenhaus bezahlt wurden - obwohl die alte Dame gar nicht mehr laufen kann.

Artikel vom 01.12.2005